Ausgleichsanspruch - BGH-Grundsatzentscheidung

Mittwoch, 23. Februar 2010

Der deutsche BGH hat sich in einer Grundsatzentscheidung mit Detailfragen der Berechnung des Auslgeichsanspruches des KFZ-Vertragshändlers auseinandergesetzt. Berücksichtigt wurden Aspekte wie Mehrfachkunden, Leasingfahrzeuge, Sogwirkung der Marke, unterschiedliche Boni und Rabatte, Eintausch von Gebrauchtwagen, Übernahme einer neuen Marke nach Vertragsende

Leitsätze:

  1. Für die Berücksichtigung von (über den Rabatt auf den Listenpreis hinaus gewährten) Zusatzleistungen des Herstellers/Lieferanten bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs eines Vertragshändlers in entsprechender Anwendung des § 89b HGB kommt es nicht darauf an, ob dem Vertragshändler ein vertraglicher Anspruch auf die gewährten Zusatzleistungen zustand; es genügt, dass der Vertragshändler berechtigterweise erwarten konnte, auch in Zukunft vergleichbare Leistungen zu erhalten.
  2. Preisnachlässe, die der Vertragshändler unter Schmälerung seiner Handelsspanne seinen Kunden gewährt, verwirklichen das vom Vertragshändler zu tragende Absatzrisiko; sie haben deshalb bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs außer Betracht zu bleiben (Bestätigung von BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 - VIII ZR 7/95, NJW 1996, 2302). Sofern der Hersteller/Lieferant aber einen Teil des Absatzrisikos übernimmt, indem er dem Vertrags-händler verkaufsfördernde Zusatzleistungen gewährt, damit dessen Rohertrag nicht in Höhe des vollen Preisnachlasses geschmälert wird, sind diese Zusatzleistungen im Gegenzug dem Rohertrag hinzuzurechnen (Abgrenzung zu BGHZ 29, 83, 91; BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 - VIII ZR 141/95, NJW 1996, 1299).

BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08

Aus dem Sachverhalt:

Die Klägerin war für die Beklagte 16 Jahre lang als Vertragshändlerin für den Vertrieb von ... -Neufahrzeugen sowie von Ersatz- und Zubehörteilen tätig. Das Vertragsverhältnis wurde von der Beklagten ordentlich mit Wirkung zum 31. Januar 2000 gekündigt. Anschließend übernahm die Klägerin eine T. -Vertretung. Seit 1. Januar 2004 betreibt die Klägerin eine ... -Vertragswerkstatt.

Aus der Begründung:
Dass ein Unternehmer "doppelt belastet" wird, wenn er für die Umsätze mit Stammkunden nicht nur dem Handelsvertreter einen Ausgleich, sondern auch dessen Nachfolgern Provisionen zahlen muss, ist zwangsläufige Folge dieses Anspruchssystems. Dieser Umstand kann daher nicht zum Wegfall eines Ausgleichsanspruchs führen. Für Ausgleichsansprüche eines Vertragshändlers in entsprechender Anwendung des § 89b HGB gilt nichts anderes, denn bei diesem nehmen die Rabatte, die er vom Hersteller auf dessen Listenpreis erhält, die Stelle der Provisionen eines Handelsvertreters ein.

Die Mehrfachkundeneigenschaft kann durch zwei oder mehr Verkaufsvorgänge im letzten Vertragsjahr begründet werden, und zwar unabhängig davon, ob diese an einem Tag oder an verschiedenen Tagen stattgefunden haben. Denn selbst wenn ein Kunde mehrere Fahrzeugkäufe zeitgleich tätigt, ist anzunehmen, dass dem Hersteller erhebliche Vorteile nach Vertragsbeendigung bleiben. Auch die auf einer solchen Mehrfachbestellung beruhenden Umsätze sind daher als berücksichtigungsfähige Mehrfachkundenumsätze anzuerkennen. Erst recht gilt dies für diejenigen Fälle, in denen ein Kunde im letzten Vertragsjahr mehrere Bestellungen aufgegeben hat, die auf zeitlich verschiedenen Kaufentschlüssen beruhen.

Wenn ein Vertragshändler für seine Verkaufsbemühungen Rabatte auf den Listenpreis des Herstellers erhält, nehmen die Rabattzahlungen wirtschaftlich betrachtet die Stelle der Provisionen eines Handelsvertreters ein. Um eine Vergleichbarkeit zwischen Händlerrabatt und Vertreterprovision zu erzielen, ist es allerdings notwendig, diejenigen Teile des Rabatts bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs herauszurechnen, die der Vertragshändler aufgrund seiner vom Handelsvertreter abweichenden Stellung für Leistungen erhält, die der Handelsvertreter üblicherweise nicht zu erbringen hat.

Der Ausgleich nach § 89b HGB stellt eine Vergütung für die Überlassung des vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamms an den Unternehmer dar, so dass bei der Ermittlung der Provisionsverluste (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB aF) andere Provisionen oder Provisionsanteile als solche für vertretertypische Tätigkeiten grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben.

Diese Grundsätze sind auch bei einer entsprechenden Anwendung des § 89b HGB zu beachten mit der Folge, dass Vergütungen für händlertypische Tätigkeiten nicht

berücksichtigungsfähig sind. Als nicht ausgleichspflichtig hat der Bundesgerichtshof den Teil des Händlerrabatts angesehen, durch den händlertypische Aufwendungen für die personelle und sächliche Ausstattung des Betriebs sowie für Werbung, Präsentation, Lagerhaltung und Vorführfahrzeuge abgegolten werden sollen. Entsprechendes gilt für Gegenleistungen, die der Händler für die Übernahme des Absatz-, des Lager-, des Preisschwankungs- und des Kreditrisikos erhält.

Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht der Berechnung des Ausgleichsanspruchs den individuellen Rohertrag des Vertragshändlers zugrunde gelegt. Der individuelle Rohertrag stellt dabei die Differenz zwischen dem Verkaufspreis (vom Hersteller unverbindlich empfohlener Listenpreis abzüglich vom Händler gewährter Preisnachlässe an die Kunden) und dem Einkaufspreis des Händlers dar. Im Idealfall entspricht der individuelle Rohertrag des Händlers daher der Summe der Rabatte und Boni, die ihm der Hersteller auf den empfohlenen Verkaufspreis gewährt; er bleibt im Einzelfall nur insoweit hinter dieser Summe zurück, als der Händler selbst Fahrzeuge unter Gewährung von Preisnachlässen und Skonti unter dem Listenpreis verkauft hat. Aus dem individuellen Rohertrag sind dann diejenigen Vergütungsbestandteile herauszurechnen, die nicht handelsvertretertypisch, sondern händlertypisch sind. Außerdem ist der Händlerrabatt in einem weiteren Schritt um diejenigen Anteile zu reduzieren, die der Vertragshändler für solche Leistungen erhält, die ihm - wäre er Handelsvertreter -

nicht als Entgelt für seine werbende (vermittelnde) Tätigkeit, sondern für "verwaltende" (vermittlungsfremde Tätigkeiten gezahlt würden.

Die Provisionsverluste des Handelsvertreters bilden letztlich das wirtschaftliche Gegenstück zu dem - noch nicht abgegoltenen - Vermögenswert, der dem Unternehmer nach Vertragsbeendigung verbleibt. Für den Bestand und die Nachhaltigkeit der dem Unternehmer/Hersteller nach Beendigung der Ge-schäftsbeziehung verbleibenden Vorteile (gewonnene Stammkunden) ist es aber ohne Belang, ob diese aufgrund freiwilliger oder vertraglich geschuldeter Zusatzleistungen des Unternehmers/Herstellers geschaffen wurden.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat - nach Erlass des Berufungsurteils - entschieden, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbstständigen Handelsvertreter (Handelsvertreterrichtlinie) dahin auszulegen ist, dass er nicht erlaubt, den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine

Provisionsverluste infolge der Vertragsbeendigung zu begrenzen, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind (EuGH, Urteil vom 26. März 2009,Rs. C-348/07).

Zuschüsse, die zum Ausgleich für Großabnehmernachlässe gezahlt werden sind nicht als Entgelte für händlertypische Aufgaben einzuordnen. Zwar sind Preisnachlässe und Skonti, die der Händler unter Schmälerung seiner Handelsspanne seinen Kunden gewährt, händlertypisch, weswegen nicht nur solche das Absatzrisiko verwirklichende Nachlässe, sondern auch Gegenleistungen des Herstellers hierfür bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs außer Betracht zu bleiben haben.

Die Berücksichtigung des von der ... Auto Leasing Deutschland GmbH erbrachten Leasing-Zuschusses ist unbedenklich. Dadurch, dass die ... Auto Leasing Deutschland GmbH einen Teil des an sie geflossenen Zuschusses an die Klägerin weitergeleitet hat, wurde in dieser Höhe nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts der ihr von der Klägerin gewährte Rabatt und die hiermit verbundene Schmälerung des Händlerrohertrags teilweise ausgeglichen. Damit wurde auch in diesem Fall das Absatzrisiko auf verschiedene Unternehmen verteilt, so dass auch hier der weitergeleitete und von der Klägerin einkalkulierte Zuschuss nicht als Entgelt für händlertypische Aufgaben anzusehen ist.

Die Beklagte hat, um den Vertrieb der von ihr hergestellten Fahrzeuge zu forcieren, ihren Vertragshändlern Inzahlungnahme-Rabatte eingeräumt, wenn der Kunde - wie beim Kauf von Neuwagen üblich - sein Altfahrzeug habe eintauschen wollen. Diese Praxis hat sich deswegen herausgebildet, weil die von den Händlern beim Kauf von Neuwagen gewährten Inzahlungnahme-Preise häufig über den gängigen Marktpreisen liegen. Wenn die Beklagte zur Unterstützung dieser Vorgehensweise Zuschüsse zahlt, gleicht sie insoweit die hierin enthaltenen Preisnachlässe an die Kunden aus.

Rabatte, die ein Händler seinen Kunden gewährt, schmälern in voller Höhe den individuellen Rohertrag. Sofern der Hersteller aber - wie hier - einen Teil des

Absatzrisikos übernimmt, indem er dem Händler verkaufsfördernde Zuschüsse gewährt und dadurch erreicht, dass dessen Rohertrag nicht in Höhe des vollen Preisnachlasses geschmälert wird, sind diese Zuschüsse im Gegenzug dem Rohertrag hinzuzurechnen. Ermittelte man nicht - gegebenenfalls im Wege der Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) - die Höhe dieser Rabatte und brächte diese nicht in Abzug, führte dies zu einem verfälschten Ergebnis. Denn dann würden zwar die zum Ausgleich der Rabatte gewährten Zusatzleistungen, nicht aber die - zu Lasten des Händlers gehenden - Rabatte selbst bei der Berechnung des Anspruchs nach § 89b HGB analog berücksichtigt. Zur Höhe der mit den zwei Inzahlungnahmen verbundenen "versteckten" Rabatte hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Dies wird es nachzuholen haben.

Zur Herstellung der Vergleichbarkeit von Vertreterprovisionen und Händlerrabatten ist es notwendig, diejenigen Teile des Rabatts herauszurechnen, die der Vertragshändler aufgrund seiner vom Handelsvertreter abweichenden Stellung für Leistungen erhält, die der Handelsvertreter üblicherweise nicht zu erbringen hat. Außer Betracht zu bleiben haben damit Rabatte für händlertypische Aufwendungen des Vertragshändlers für die personelle und sächliche Ausstattung des Betriebs sowie für Werbung, Präsentation, Lagerhaltung und Vorführfahrzeuge. Entsprechendes gilt für Gegenleistungen, die der Händler für die Übernahme des Absatz-, Lager-, Preisschwankungs- und des Kreditrisikos erhält.

Zusatzrabatte für Vorführwagen (2 %), Werbung (1 %), Ausstellungsraum (1 %) und Beschäftigung angestellter Verkäufer (1 %) stellen Vergütungen für händlertypische Leistungen dar und sind daher bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht zu berücksichtigen. Entgelte für händlertypische Aufgaben sind selbst dann nicht in die Bemessung des Ausgleichsanspruchs einzubeziehen, wenn sie von Handelsvertretern gegen zusätzliche Vergütungen übernommen werden.

Auch die Quote von 29 % hat das Berufungsgericht zutreffend bemessen. Es hat diese dadurch errechnet, dass es die nach dem Händlervertrag zu beanspruchenden Zusatzrabatte von 5 % (Vorführwagenbestand 2 %; Werbung 1 %; Ausstellungsraum 1 %; Beschäftigung geschulter Verkäufer 1 %) mit dem Gesamtrabatt von 17,5 % (12,5 % Grundrabatt zuzüglich 5 % Zusatzrabatte) ins Verhältnis gesetzt hat (5/17,5 x 100 = aufgerundet 29 %). Zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsgericht die rechts-fehlerfrei ermittelte Quote von 29 % von dem Rohertrag der Klägerin einschließlich der Großabnehmer-, Gebrauchtwagen- und Leasingszuschüsse in Abzug gebracht hat. Denn bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs sind nur Entgeltleistungen, die für händlertypische Aufgaben gezahlt werden, außer Betracht zu lassen.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist der nach Herausrechnung der händlertypischen Vergütungsbestandteile verbleibende Händlerrabatt in einem weiteren Schritt um den Anteil zu reduzieren, den der Händler für solche Leistungen erhält, die ihm, wäre er Handelsvertreter, nicht als Entgelt für seine werbende (vermittelnde) Tätigkeit, sondern für "verwaltende" (vermittlungsfremde) Tätigkeiten gezahlt würden.

Auch die Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs um 25 % aus Billigkeitsgründen lässt keine Rechtsfehler erkennen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Verkaufsbemühungen des Händlers in nicht unerheblichem Maße durch die von der Marke ausgehende Sogwirkung gefördert werden.

Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch einen über 25 % hinausgehenden Abzug im Hinblick auf die übernommene Vertretung einer anderen Fahrzeugmarke unmittelbar nach Vertragsende und den Betrieb einer ... -Vertragswerkstatt ab 1. Januar 2004 abgelehnt.