BGH zu KFZ-Händlervertrag von BMW und Anpassung nach GVO-neu

Dienstag, 30. Juli 2007

Ein Kfz-Vertragshändlervertrag, der vor Geltung der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 geschlossen wurde und Kernbeschränkungen iSd. Art. 4 dieser Verordnung enthält, ist mit Ablauf der Übergangsfrist am 30. September 2003 unwirksam geworden (BGH, 08.05.07, KZR 14/04). Eine Pflicht, einen solchen Vertrag an die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 anzupassen, besteht nicht.

Die Klägerin ist eine ehemalige Vertragshändlerin (BMW-Händler) der beklagten Kraftfahrzeugherstellerin (BMW). Der den Vertragsbeziehungen zugrunde liegende, nach einem einheitlich verwendeten Muster der Beklagten geschlossene Händlervertrag datiert aus dem Jahre 1996.

Die Beklagte sprach im September 2002 die Kündigung sämtlicher Händlerverträge ihres europäischen Vertriebsnetzes zum 30. September 2003 aus. Sie begründete diesen Schritt damit, dass die am 1. Oktober 2002 mit einer Übergangsfrist für bestehende Händlerverträge bis zum 30. September 2003 in Kraft tretende Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (ABl. EG Nr. L 203, S. 30) gravierende rechtliche und strukturelle Veränderungen für den Automobilvertrieb mit sich bringe, die auch eine wesentliche Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes erforderten. Mit dem Großteil ihrer bisherigen Händler schloss die Beklagte in der Folgezeit mit Wirkung vom 1. Oktober 2003 neue, an den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 ausgerichtete Verträge ab.

Die Klägerin, der die Beklagte ebenso wie mehreren anderen ehemaligen Händlern keinen neuen Händlervertrag anbot, ist der Auffassung, die Kündigung der Beklagten habe nicht vor Ablauf der zweijährigen Frist für eine ordentliche Kündigung nach Nr. 11.3 des Händlervertrages am 30. September 2004 zur Beendigung ihres Händlervertrages geführt, weil die Voraussetzungen einer Strukturänderungskündigung nach Nr. 11.6 Abs. 1 des Händlervertrages nicht erfüllt seien und Nr. 11.6 Abs. 2 des Vertrages unwirksam sei. Sie hat
deshalb Klage auf Feststellung erhoben, dass das Vertragshändlerverhältnis über den 30. September 2003 hinaus bis längstens 30. September 2004 fortbestehe.

Der BGH hat dazu nach Vorlage an den EuGH (C-376/05 und C-377/05, NJW 2007, 201) ausgesprochen, dass ein Kfz-Vertragshändlervertrag, der vor Geltung der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 geschlossen wurde und Kernbeschränkungen iSd. Art. 4 dieser Verordnung enthält, mit Ablauf der Übergangsfrist am 30. September 2003 unwirksam geworden ist. Eine Pflicht, einen solchen Vertrag an die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 anzupassen, besteht nicht.

Der EuGH hat die Vorlagefragen des BGH beantwortet wie folgt:

Das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 hat als solches keine Umstrukturierung des Vertriebssystems eines Lieferanten im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 1 1. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 notwendig gemacht. Jedoch konnte dieses Inkrafttreten nach Maßgabe des spezifischen Aufbaus des Vertriebsnetzes des einzelnen Lieferanten Änderungen von solcher Bedeutung notwendig machen, dass sie eine echte Umstrukturierung dieses Netzes im Sinne dieser Bestimmung darstellen. Es ist Sache der nationalen Gerichte und der Schiedsgerichte, zu beurteilen, ob dies unter Berücksichtigung aller konkreten Gegebenheiten der Streitigkeit, mit der sie befasst sind, der Fall ist.

Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 ist dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Gruppenfreistellung nach Ablauf der Übergangsfrist des Art. 10 dieser Verordnung unanwendbar ist auf Verträge, die die Voraussetzungen für die Freistellung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 erfüllen und zumindest eine der Kernbeschränkungen im Sinne von Art. 4 zum Gegenstand haben, so dass alle in solchen Verträgen enthaltenen wettbewerbsbeschränkenden Vertragsbestimmungen nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten sein konnten, wenn die Voraussetzungen einer Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG nicht erfüllt waren. (BGH, 08.05.07, KZR 14/04)