Ersatzteile - FAQ zur VO 461/2010

Montag, 02. Dezember 2012

Die Europäische Kommission hat am 27. August 2012 eine Sammlung häufig gestellter Fragen (freequently asked questions, FAQ) zur neuen Gruppenfreistellungsverordnung für den KFZ-Sektor (VO 461/2010, „After-Sales-GVO“) publiziert. Hier finden Sie jenen Teil aus den FAQ, der sich mit dem Thema Ersatzteile beschäftigt.

Ersatzteile - FAQ zur VO 461/2010

Die Lieferung von Ersatzteilen kann nach der Kfz-GVO Gegenstand von drei sektorspezifischen Kernbeschränkungen sein. Es wurden jedoch wiederholt Fragen gestellt, die sich auf die Lieferung von Ersatzteilen an unabhängige wie auch zugelassene Werkstätten beziehen.

8. Darf ein Kraftfahrzeuganbieter die Gewährung von Prämien oder Rabatten für Originalteile (captive parts) an die Bedingung knüpfen, dass die Werkstätten von ihm auch Ersatzteile für Fahrzeuge anderer Hersteller beziehen?

Dieses Thema wird weder in der Kfz-GVO noch in den Ergänzenden Leitlinienbehandelt. Unter bestimmten Umständen könnten bedingte Rabatte den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und somit einen Verstoß gegen EUWettbewerbsrecht darstellen. In den meisten Fällen sind Prämien- und Rabattsysteme ein legitimes und wettbewerbsförderndes Mittel, um Werkstätten einen Anreiz zu geben, mehr Ersatzteile einer bestimmten Marke zu verkaufen. In Bezug auf Originalteile (captive parts), für die der Kraftfahrzeuganbieter über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, ist jedoch Vorsicht geboten. Wenn Prämien oder Rabatte auf diese Ersatzteile an die Bedingung geknüpft werden, dass die Werkstatt von dem Kraftfahrzeuganbieter Ersatzteile für Fahrzeuge anderer Hersteller kauft, könnte dies bedeuten, dass der Kraftfahrzeuganbieter seine beherrschende Stellung auf einem Markt missbräuchlich ausnutzt, um auf einem anderen Markt Vorteile zu erzielen.

9. Darf ein Kraftfahrzeuganbieter seine zugelassenen Werkstätten verpflichten, die Ersatzteile anderer Marken getrennt von den Ersatzteilen seiner eigenen Marke zu lagern?

In der Regel ja, solange es den Werkstätten dadurch nicht übermäßig erschwert wird, Ersatzteile anderer Marken zu verwenden. Ein Kraftfahrzeuganbieter kann ein berechtigtes Interesse daran haben sicherzustellen, dass die zugelassenen Werkstätten ihre Ersatzteile in geordneter Form lagern, da dann die jeweils benötigten Ersatzteile schnell zur Hand sind und dies die Kundenwahrnehmung der Marke positiv beeinflussen kann. Zudem ist es im berechtigten Interesse der Kraftfahrzeuganbieter, dass für unter die Gewährleistung fallende Instandsetzungsarbeiten oder Kundendienstleistungen, deren Kosten sie tragen, nicht versehentlich Ersatzteile anderer Marken verwendet werden. Auflagen dieser Art dürfen allerdings nicht in unangemessener Weise die Lagerbestandskontrolle erschweren, mehr Lagerraum erforderlich machen oder den Zugang derart erschweren, dass Werkstätten davon abgebracht werden, Ersatzteile anderer Marken zu führen. Möglicherweise nicht gerechtfertigt wäre, wenn ein Kraftfahrzeuganbieter Werkstätten verpflichtet, für Ersatzteile anderer Marken ein getrenntes Lager vorzusehen und diese nicht an den Werkplätzen zu lagern.

10. Darf eine zugelassene Werkstatt die Lieferung von Originalteilen (captive parts) an unabhängige Werkstätten verweigern?

Grundsätzlich ja. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass EU-Wettbewerbsrecht verletzt wird, wenn eine zugelassene Werkstatt von sich aus entscheidet, keine Ersatzteile an unabhängige Werkstätten zu liefern. In den meisten Fällen ist es im Interesse der zugelassenen Werkstätten, Ersatzteile an unabhängige Werkstätten zu verkaufen, da sie über eine Gewinnmarge verfügen. Sollte eine zugelassene Werkstatt von sich aus beschließen, Originalteile (captive parts) nicht an unabhängige Werkstätten zu liefern, ist es unwahrscheinlich, dass dies gegen EU-Wettbewerbsrecht verstößt. In der Regel können unabhängige Werkstätten die gewünschten Originalteile dann bei einer anderen zugelassenen Werkstatt erwerben.

Sollten jedoch Mitglieder eines Selektivvertriebssystems vereinbaren, keine Originalteile an unabhängige Werkstätten zu verkaufen, wäre dies wahrscheinlich als wettbewerbswidrige Absprache zu betrachten.

11. Unter welchen Umständen wäre ein Kraftfahrzeuganbieter verpflichtet, Ersatzteile direkt an unabhängige Werkstätten zu liefern?

Sobald es für unabhängige Werkstätten generell schwierig ist, Originalteile (captive parts) über die zugelassenen Händler zu beziehen, könnte, wenn der Kraftfahrzeughersteller die erforderlichen Ersatzteile nicht direkt liefert, ein Verstoß gegen EU-Wettbewerbsrecht vorliegen. Kraftfahrzeuganbieter stellen ihren zugelassenen Werkstätten das gesamte Spektrum an Ersatzteilen, die für die Instandsetzung und Wartung von Kraftfahrzeugen ihrer Marken erforderlich sind, zur Verfügung und sind als einzige in der Lage, Werkstätten und Händlern bestimmte Ersatzteile zu liefern. Wenn unabhängige Werkstätten diese Originalteile (captive parts) nicht bei den zugelassenen Händlern beziehen können und der Kraftfahrzeuganbieter sich weigert, die unabhängigen Werkstätten direkt zu beliefern, könnten dadurch etwaige negative Auswirkungen, die aus seinen Vereinbarungen mit zugelassenen Werkstätten und/oder Teilehändlern erwachsen, verstärkt werden. Insbesondere fehlender Zugang zu Originalteilen könnte die Marktstellung eines unabhängigen Marktteilnehmers schwächen, was letztendlich zulasten der Verbraucher ginge.

12. Darf ein Kraftfahrzeuganbieter ein Mitglied seines zugelassenen Vertriebsnetzes für Ersatzteile daran hindern, Ersatzteile an unabhängige Werkstätten zu verkaufen, die unabhängige Ersatzteilhändler als Vermittler nutzen?

Grundsätzlich nein. Wenn ein zugelassener Einzelteilhändler von sich aus beschließt, keine Ersatzteile an unabhängige Werkstätten zu verkaufen, die auf Vermittler zurückgreifen, stellt dies keinen Verstoß gegen EU-Wettbewerbsrecht dar. Wenn ein Kraftfahrzeuganbieter seine Händler jedoch anweist, Ersatzteile nicht über Vermittler zu verkaufen, dann verstoßen seine Vertriebsvereinbarungen wahrscheinlich gegen EU-Wettbewerbsrecht. Die meisten Kraftfahrzeughersteller setzen beim Verkauf von Ersatzteilen auf einen rein qualitativen Selektivvertrieb. Unabhängige Werkstätten sind in Bezug auf Ersatzteile als Endverbraucher im Sinne der Kfz-GVO zu betrachten. Wenn ein Kraftfahrzeuganbieter die Händler seines Selektivvertriebsnetzes daran hindert, Ersatzteile an Werkstätten zu verkaufen, die auf Vermittler zurückgreifen, so stellt dies eine wettbewerbswidrige Beschränkung des passiven Verkaufs dar. Vermittler sind grundsätzlich als Beteiligte zu behandeln, die zur Vertragsparteigehören. Um jedoch als Vermittler betrachtet zu werden, muss dieser Anweisungen erhalten haben, auf Bestellung hin zu kaufen; er darf nicht mit Ersatzteilen handeln, die er bei Mitgliedern des Selektivvertriebsnetzes gekauft hat. Ein Kraftfahrzeughersteller hat allerdings das Recht, die Mitglieder eines solchen Systems anzuweisen, nicht an Unternehmen zu verkaufen, die beabsichtigen, die betreffenden Ersatzteile weiterzuverkaufen.

FAQ zur VO 461/2010

Sammlung häufig gestellter Fragen (freequently asked questions, FAQ) zur neuen Gruppenfreistellungsverordnung für den KFZ-Sektor (VO 461/2010, „After-Sales-GVO“)

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Dr. Johannes Öhlböck LL.M.

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