Neuwagen nach 32 monatiger Standzeit mangelhaft

Montag, 11. April 2010

Das OLG Wien hat entschieden, dass ein als Neuwagen verkaufter PKW aufgrund einer 32-monatigen Standzeit zwischen Produktion und Übergabe als mangelhaft gilt. Basis dafür ist die Ö-Normen Ö-Norm V 5051. Nach Ansicht des Gerichtes können Ö-Normen unabhängig von ihrer vertraglichen Geltung im Rahmen von Gewährleistungsnormen das Maß der gewöhnlichen vorausgesetzten Eigenschaften widerspiegeln (OLG Wien vom 30.09.2008, 1 R 86/08m).

Der Kläger kaufte beim nachfolgend insolventen Händler um EUR 29.900,00 brutto einen Chevrolet, Modell Trailblazer, 4 WD, aus limitierter Stückzahl als „Neuwagen erstklassigen Zustandes“. Der Listenpreis betrug EUR 49.900,00 brutto. Der Händler erklärte dem Kläger die Differenz des Kaufpreises zum Listenpreis mit einer Stützung durch den Importeur. Das am 02.10.2006 übergebene Fahrzeug war bereits am 30.01.2004 produziert worden.

Bei Gericht begehrte der Kläger EUR 11.996,00 und brachte vor, dass der PKW erhebliche Mängel (insb Korrosionen) aufweise und auch aufgrund des Alters mangelhaft sei. Ein Neuwagen iSd hier einschlägigen Ö-Norm V 5051 liege nicht vor. Unter Anwendung der relativen Berechnungsmethode stehe dem Kläger ein Preisminderungsanspruch im Ausmaß des eingeklagten Betrages zu.

Das Oberlandesgericht Wien hielt fest, dass der als Neuwagen verkaufte Chevrolet aufgrund der 32-monatigen Standzeit zwischen Produktion und Übergabe mangelhaft war. Die dem Kläger zustehenden Beträge waren als Konkursforderung festzustellen.

Aus der Begründung des Gerichtes:

Überschreitet die Standzeit allerdings eine bestimmte Dauer, ist das Fahrzeug nicht mehr fabriksneu oder ein Neuwagen. Gerade in der schnelllebigen und innovativen Automobilbranche ist zu berücksichtigen, dass die jeweiligen Modelle laufend weiter entwickelt werden. Bei der konkreten Festlegung der noch „unschädlichen“ Standzeit orientierte sich das Erstgericht an der einschlägigen Ö-Norm V 5021.Unabhängig von einer Einbeziehung der Ö-Normen in einen konkreten Vertrag, kommt diesen dahin Bedeutung zu, als sie doch in weiten Teilen einen ausgewogenen Kompromiss zwischen den Interessen der an Kaufverträgen beteiligten Personen darstellen.

Die Eigenschaft fabriksneu setzt nach der Ö-Norm V 5051 voraus, dass das Fahrzeug bei der Übergabe nicht älter als 11 bzw 13 Monate ab dem Produktionsdatum ist. Das Erstgericht qualifizierte das hier als Neuwagen verkaufte Fahrzeug schon aufgrund der langen Zeitspanne zwischen der Produktion und der Übergabe als mangelhaft.

Das Gesetz betrachtet nur jüngere Fahrzeuge (zB Vorführfahrzeuge) als „Beinahe-Neuwagen“. Auch daraus kann geschlossen werden, dass ein Fahrzeug 32 Monaten nach der Produktion nicht mehr als Neuwagen gilt. Dieser Ansatz deckt sich auch mit der deutschen Rsp (BGH VII ZR 227/02 = ZVR-LS 2004/24). Bei der Ermittlung der Preisminderung muss sich der vereinbarte Preis zum geminderten Preis so verhalten, wie der Wert der Sache ohne Mangel zum Wert der Sache mit Mangel. Nach dem Prinzip der Erhaltung der subjektiven Äquivalenz sollen die beim Vertragsabschluss zugrunde gelegten Wertrelationen zwischen Leistung und Gegenleistung vielmehr aufrechterhalten bleiben. Der Kläger hat insoweit ein für ihn günstiges Geschäft abgeschlossen, als der Kaufpreis mit nur knapp 60% des Verkehrswerts festgelegt wurde. Das bedeutet, dass dieser Prozentsatz auch bei der Bestimmung des geminderten Preises heranzuziehen ist. Die entsprechende Preisminderung kann dem Kläger nicht mit dem Hinweis verweigert werden, dass der Wert des mangelhaften Fahrzeuges in etwa dem Kaufpreis entspricht.