Servicevertrag: Kündigung wegen mangelnder Kundenzufriedenheit

Dienstag, 14. Oktober 2013

Ein äußerst schlechtes Abschneiden einer Werkstätte beim Werkstatttest berechtigt den Importeur, den Werkstattvertrag (Servicevertrag) ordentlich zu kündigen, da dies wegen eines anzuerkennenden Interesses der Importeurin an einem tadellosen Image ihrer Marke vertretbar ist (OGH 19.3.2013, 4 Ob 205/12v).

Aus dem Sachverhalt:

Die Beklagte ist Generalimporteurin von Neufahrzeugen. Der Kläger betreibt eine KFZ-Werkstätte und hat mit dieser einen Servicevertrag abgeschlossen.

Die Kundenzufriedenheitswerte für die Werkstätte des Klägers für das erste Halbjahr 2010 ergaben den Rang 275 von 278 Betrieben. Die beklagte Kfz-Generalimporteurin sprach gegenüber dem klagenden Vertragspartner daraufhin mit Schreiben vom 13. 7. 2010 die Kündigung des Servicevertrages zum 31. 7. 2012 wegen mangelhafter Kundenzufriedenheit auf.

Der Kläger beantragte (zusammengefasst), der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, den Servicevertrag inhaltlich fortzusetzen.
Das Erstgericht erließ die beantragte Verfügung, das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kündigungsgrund der mangelnden Kundenzufriedenheit sei objektiv nachvollziehbar, zumal der Kläger in einer entsprechenden Studie auf Platz 275 von 278 gelegen sei. Die Kündigung sei damit wirksam; nachfolgende Anstrengungen des Klägers seien unbeachtlich, weil wegen der Vertragsfreiheit keine Verpflichtung des Lieferanten bestehe, die Kündigung zurückzunehmen. Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Entscheidung des Rekursgerichtes.

Aus der Begründung:

  1. Auf unbestimmte Zeit eingegangene Dauerschuldverhältnisse können nach allgemeinem Zivilrecht im Regelfall auch ohne wichtigen Grund aufgelöst werden. Zwar muss dem Händler eine ausreichende Frist für die Umstellung seines Geschäftsbetriebs zur Verfügung stehen und allenfalls kann sich aus dem Zweck des Vertrags oder aus anderen Gründen ergeben, dass eine Kündigung nur bei Vorliegen sachlicher Gründe möglich ist. Die Notwendigkeit des Vorliegens sachlicher Gründe kann sich auch aus einer marktbeherrschenden Stellung einer Vertragspartei ergeben. Die für eine ordentliche Kündigung erforderlichen sachlichen Gründe müssen allerdings nicht so schwer wiegen, dass auch eine außerordentliche (fristlose) Kündigung berechtigt wäre. Vielmehr genügt es, dass die Kündigung auf einem objektiv nachvollziehbaren und von der Rechtsordnung nicht verpönten Grund beruht (4 Ob 119/09t).
  2. Ob ein solcher Grund vorliegt, kann nur anhand einer Gesamtbetrachtung im Einzelfall beurteilt werden (vgl 4 Ob 73/12g; 4 Ob 106/12k; 16 Ok 1/12).
  3. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bescheinigt, dass die Kundenzufriedenheitswerte der Werkstätte des Klägers für das erste Halbjahr 2010 den Rang 275 von 278 Betrieben ergab. Wenn das Rekursgericht diesen Umstand als objektiv nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt für eine ordentliche Kündigung - bei Einhaltung einer zweijährigen Kündigungsfrist - beurteilte und eine Verletzung von § 5 KartG bzw § 1 UWG verneinte, so ist dies schon aufgrund des anzuerkennenden Interesses der Beklagten an einem tadellosen Image ihrer Marke vertretbar.
  4. Die vom Kläger zur Begründung seines Anspruchs zitierte Entscheidung des EuGH Rs C-158/11 ist nicht einschlägig, zumal auf den vorliegenden Sachverhalt nicht mehr die Kfz-GVO 1400/2002, sondern die Kfz-GVO 461/2010 anzuwenden ist, welche ua die Schutzvorschrift der ausführlichen Begründung der Kündigung nicht mehr enthält. Überdies richtet sich das Begehren im vorliegenden Fall auf Fortwirkung des Servicevertrags und nicht wie in dem der Entscheidung C-158/11 zugrundeliegenden Fall auf Abschluss eines neues Vertrags. Die Argumente des Europäischen Gerichtshofs sind daher nicht ohne weiteres übertragbar.
  5. Der ursprünglich geschlossene Serviecevertrag wurde durch ordentliche Kündigung wirksam beendet. Im Übrigen hat der Europäische Gerichtshofs in der genannten Entscheidung bloß festgehalten (Rz 33), dass bei qualitativen selektiven Vertriebssystemen schon die VO verlange, dass die Auswahlmerkmale einheitlich gelten müssten und nicht in diskriminierender Weise angewandt werden dürften. Von einer Diskriminierung des Klägers kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.