Verkürzung der Kündigungsfrist bei Jaguar

Freitag, 07. Februar 2008

Der OGH hat erneut eine Entscheidung zur Verkürzung der Kündigungsfrist wegen Umstrukturierung des Vertriebsnetzes im Verhältnis zwischen KFZ-Händler und Importeur getroffen (27.11.2007, 3 Ob 128/07f). Die Entscheidung ging gegen den Händler aus. Die Verkürzung der Kündigungsfrist auf ein Jahr war in diesem Fall zulässig.

Die klagende Partei war seit 1970 Vertragshändlerin für Jaguar-Fahrzeuge. Zuletzt schloss sie mit der beklagten GmbH, die Generalimporteurin solcher Fahrzeuge in Österreich ist, am 13. August 2001 einen Händlervertrag ab. Die beklagte Partei kündigte mit Schreiben vom 26. Februar 2002 diesen Vertrag unter Berufung auf dessen Punkt 21.2 zum 30. Juni 2003. Dieser Punkt lautet auszugsweise:

„Die Gesellschaft [beklagte Partei] ist zur Kündigung dieses Vertrages mit einer Frist von 1 (einem) Jahr berechtigt, falls die Notwendigkeit zur teilweisen oder gänzlichen Reorganisation ihrer Absatzorganisation gegeben ist oder ..."

Die beklagte Partei führte zur Umstrukturierung ihres österreichischen Vertragshändlernetzes zum 1. Oktober 2003 ein so genanntes selektives Vertriebssystem ein. Bis zum 30. September 2003 gab es in Österreich neun Jaguar-Vertragshändler. Drei von ihnen stimmten einer Änderung bzw. Einschränkung ihres Vertragsgebiets zu und erhielten im Gegenzug von der beklagten Partei die Zusage für den Abschluss neuer Händlerverträge mit 1. Oktober 2003, ohne dass eine Kündigung der jeweiligen Handelsverträge erfolgt wäre. Die beklagte Partei kündigte österreichweit bis 30. September 2003 die Verträge mit vier ihrer Vertragshändler, ohne mit ihnen Nachfolgeverträge abzuschließen. Bis September 2004 hatte sie in Österreich zwölf Vertragshändler etabliert und war auf der Suche nach zwei weiteren, langfristiges Ziel war ein Händlernetz mit 16 Vertriebspunkten. Schon bei den vorangegangenen Vertragsverhandlungen hatte die klagende Partei die Auffassung vertreten, dass mit den von der beklagten Partei vorgegebenen Händlerspannen kein profitabler Handel zu betreiben sei. Unter diesen Gesichtspunkten erachtete diese eine weitere Zusammenarbeit mit jener nicht als sinnvoll. Da klar war, dass die klagende Partei der Einsetzung eines weiteren Vertragshändlers in ihrem vertraglich zugesicherten Gebiet nicht zustimmen würde, wurden nach der Vertragskündigung zwei andere Vertragshändler im betreffenden Bundesland eingesetzt. Die klagende Partei begehrte ua wegen Verkürzung der Vertragslaufzeit 965.179,38 EUR an Schadenersatz.

In seiner Begründung ging der OGH auf die Kündigungsregel in Art 5 Abs 2 und 3 der VO 1475/95 (= KFZ-GVO alt) und die Entscheidungen des EuGH C-273/06 (Peter Petschenig vs Toyota Frey) und C-125/05 (VW-Audi Forhandlerforeningen) ein. Der EuGH legte darin dar, dass eine solche Umstrukturierung notwendigerweise eine Änderung der Organisation der Vertriebsstruktur dieses Lieferanten beinhaltet, die insbesondere die Art oder die Gestalt dieser Strukturen, ihren Zweck, die Aufteilung der internen Aufgaben innerhalb dieser Strukturen, die Modalitäten der Versorgung mit den betroffenen Waren und Dienstleistungen, die Anzahl oder Stellung der Beteiligten an diesen Strukturen und ihre räumliche Reichweite betreffen kann. Daraus ist bereits abzuleiten, dass eine - jedenfalls eine ganz erhebliche wie die schon teilweise durchgeführte und teils noch geplante - Veränderung der Anzahl der Beteiligten an der Vertriebsstruktur eine solche Umstrukturierung darstellen kann. Dass dies für eine Vergrößerung der Händlerzahl von neun auf 16, also um nahezu 80 % iVm der Einführung eines selektiven Systems und der Lösung der Verknüpfung zwischen der verpflichtenden Verknüpfung von Vertrieb und Kundendienst gilt, steht mit diesem Rechtssatz durchaus in Einklang.