Tankstelle - Ausgleichsanspruch bei unberechtigter Kündigung durch Unternehmer

Mittwoch, 12. Mai 2009

Im Falle einer unberechtigten Kündigung mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund durch den Unternehmer, steht dem Pächter einer Tankstelle ein Ausgleichsanspruch nach dem Handelsvertretergesetz zu. Mitverschulden des Tankstellenpächters an der Auflösung lag nicht vor (OGH 8 ObA 61/08s, 23.02.2009).

Die Klägerin führte 17 Jahre lang eine Tankstelle der Beklagten. Sie verkaufte in dieser Zeit Treibstoffe im Namen und auf Rechnung der Beklagten. Dem Vertragsverhältnis der Streitteile liegt der am 14. 1./20. 1. 1998 geschlossene Tankstellenpachtvertrag und der als Ergänzung zu diesem Vertrag mit Wirksamkeit vom 1. 4. 2006 abgeschlossene Franchise-Vertrag zu Grunde. Mit Schreiben vom 20. 10. 2006 löste die Beklagte den Tankstellenpachtvertrag samt Zusatzvereinbarungen und Nebenverträgen mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund auf.

Die Klägerin (Tankstellenbetreiber) begehrt von der Beklagten EUR 162.781,32. Die Beklagte habe den Vertrag ungerechtfertigt fristlos gelöst, weshalb der Klägerin Schadenersatz für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist (somit für die Zeit bis 20. 6. 2007 49.352,47 EUR) zustehe. Darüber hinaus stehe der Klägerin ein Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG in Höhe von EUR 113.428,90 zu.

Der Oberste Gerichtshof erachtete die vorzeitige Auflösung des Vertrags als unberechtigt. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Mitverschuldens der Klägerin an der vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte nicht vorliegen.

Aus der Begründung:
Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses spielt auch das Gesamtverhalten des Vertragspartners eine wesentliche Rolle. Nicht nur ein einzelner grober Verstoß, sondern auch mehrere, an sich minder schwere Verstöße können dazu führen, dass das Gesamtverhalten des Handelsvertreters als für den Geschäftsherrn unzumutbar erscheint. Es ist daher das Gesamtverhalten des Partners zu bewerten, wobei insoweit auch Verfehlungen berücksichtigt werden können, die nicht unmittelbar vor der vorzeitigen Auflösung gesetzt worden sind. Dieser Grundsatz kommt aber - auch beim hier vorliegenden Handelsvertreterverhältnis - nur dann zum Tragen, wenn der eigentliche Anlassfall für die vorzeitige Beendigung eine gewisse Mindestidentität erreicht und damit geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im konkreten Fall zu begründen.

Tatbestände, die sich nicht als taugliche Auflösungsgründe erwiesen haben, müssen für die Beurteilung eines allfälligen Mitverschuldens außer Betracht bleiben. Die Mitverschuldensregel kann bei ungerechtfertigter vorzeitiger Auflösung nur dort greifen, wo der Erklärungsempfänger ein Verhalten gesetzt hat, das zusätzlich bzw unabhängig von dem für die vorzeitige Auflösung nicht ausreichendem Verhalten für die Auflösung kausal war. Die „Kausalität" des Verhaltens ist hier auf die Auflösungserklärung zu beziehen. Das kausale Verhalten des Erklärungsempfängers (unberechtigt entlassener Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, dessen Arbeitnehmer unberechtigt ausgetreten ist) für die Auflösungserklärung kann daher etwa in einer Verletzung von Informationsverpflichtungen bestehen, die den Erklärenden in die Lage versetzt hätten, die mangelnde Berechtigung seiner Auflösungserklärung zu erkennen und davon Abstand zu nehmen.

Die Mitverschuldensregel dient nicht dazu, dem Erklärenden durch teilweise Berücksichtigung seiner zur Rechtfertigung der Auflösung zu „schwachen" Auflösungsgründe die ihn aufgrund der unberechtigten Auflösung treffenden Rechtsfolgen zu mindern.