Ausgleichsanspruch auch bei Eigenkündigung

Donnerstag, 17. Dezember 2008

Der Handelsvertreter behält den Ausgleichsanspruch bei Eigenkündigung unter anderem dann, wenn dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben (OGH 30.09.2008, 1 Ob 275/07h). Ein begründeter Anlass, der dem Handelsvertreter den Ausgleichsanspruch trotz Eigenkündigung wahrt, kann grundsätzlich in jedem Verhalten (Tun oder Unterlassen) des Unternehmers bestehen.

Aus dem Sachverhalt (gekürzt):
Der Kläger betrieb als selbstständiger eine gepachtete Selbstbedienungstankstelle. Im Oktober 2003 wurde die Tankstelle von der Beklagten begutachtet und der Kläger über das allfällige Vorhaben, diese in eine Bedienungsstation umzurüsten, in Kenntnis gesetzt. Im Jänner 2004 teilte die Beklagte dem Kläger die Entscheidung über die Umrüstung der Station in eine Bedienungstankstelle mit. Die Beklagte wollte mit der Umstellung der Betriebsform dem geringen Gewinn der Tankstelle entgegenwirken. Ende April 2004 fand zwischen den Parteien eine Besprechung wegen eines neuen Vertrags statt. Im neuen - vom Kläger nicht akzeptierten - Vertrag waren andere, für die Betriebsform als Bedienungstankstelle höhere Vergütungen für verkaufte Agenturware und eine umsatzabhängige Pacht (im Gegensatz zum bestehenden Vertrag mit einer Fixpacht) vorgesehen. Bei gleich bleibenden Treibstoffabsätzen wäre es zu einer Provisionserhöhung von etwa 3.300 EUR im Jahr gekommen, welcher ein um etwa 4.500 EUR erhöhter Pachtzins gegenüber gestanden wäre.

Der Kläger kündigte mit Schreiben seines Rechtsvertreters vom 28. 6. 2004 den Vertrag zum 31. 12. 2004 auf. Nachfolgend begehrte er EUR 30.000 als Teil seines auf § 24 Handelsvertretergesetz gestützten Ausgleichsanspruchs. Die Beklagte bestritt diesen Anspruch im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Ausgleichsanspruch schon deswegen nicht bestehe, weil das Vertragsverhältnis vom Kläger gekündigt (Eigenkündigung) worden sei. Diese Kündigung sei keinesfalls auf Umstände zurückzuführen, die der Beklagten zurechenbar seien.

Aus der Begründung des OGH (gekürzt):
Der Handelsvertreter behält den Ausgleichsanspruch bei Eigenkündigung unter anderem dann, wenn dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben. Ein begründeter Anlass, der dem Handelsvertreter den Ausgleichsanspruch trotz Eigenkündigung wahrt, kann grundsätzlich in jedem Verhalten (Tun oder Unterlassen) des Unternehmers bestehen.

An einen begründeten Anlass sind geringere Anforderungen zu stellen als an einen wichtigen Grund. Das sagt schon das Gesetz ausdrücklich. Es kommt somit in keiner Weise auf ein Verschulden des Unternehmers an. Damit kann sogar ein vertragsgemäßes Verhalten des Unternehmers dem Handelsvertreter einen begründeten Anlass zur Kündigung des Vertragsverhältnisses geben, ohne dass dadurch der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gefährdet würde. Nach der (vergleichbaren) deutschen Rechtsprechung kann unter anderem in folgenden Einzelfällen ein begründeter Anlass zur Eigenkündigung des Handelsvertreters vorliegen: Verkürzung der Provisionschancen, verspätete Zahlung der Provision, Erschwerung der Tätigkeit und Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Grundlage des Handelsvertreters. Die Umstände, die Anlass für die Kündigung geben, müssen dem Unternehmer zuzurechnen sein. Zurechenbar bedeutet aber nicht, dass sie der Unternehmer verschuldet haben muss. Die Zurechenbarkeit soll nur zum Ausdruck bringen, dass nicht auch Umstände, die außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmers liegen, wie etwa höhere Gewalt, den Handelsvertreter zu einer ausgleichswahrenden Kündigung berechtigen. Zuzurechnen sind daher alle in die Unternehmersphäre fallenden Umstände. Es muss sich dabei aber grundsätzlich um ein Verhalten des Unternehmers im weitesten Sinn - dh Tun oder Unterlassen - handeln. Dieses Verhalten muss weiters den Handelsvertreter in eine für ihn nicht haltbare Lage bringen, sodass ihm die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses über den nächsten ordentlichen Kündigungstermin hinaus nicht mehr zugemutet werden kann. Erforderlich, aber auch ausreichend ist sohin, dass durch das Verhalten des Unternehmers bzw durch die dem Unternehmer zurechenbaren Umstände eine für den Handelsvertreter nach Treu und Glauben nicht mehr hinnehmbare Situation geschaffen wird, die ihm die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar macht.

Im konkreten Fall wurde der Kläger durch die Entscheidung der Beklagten hinsichtlich der Umrüstung auf eine Bedienungsstation vor die Situation gestellt, eine - durchaus absehbare und nicht unwahrscheinliche - Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage hinnehmen zu müssen. Der Umstand der - durch die Erhöhung der Pacht bedingten - zu befürchtenden Verringerung seines Gewinns brachte ihn im konkreten Fall in eine Lage, wonach ihm die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses über den nächsten ordentlichen Kündigungstermin hinaus nicht mehr zumutbar war.

Die Vertragskündigung durch den Kläger erfolgte daher „ausgleichswahrend" im Sinn von § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG. Der vom Kläger geltend gemachte Ausgleichsanspruch besteht dem Grunde nach zu Recht.