Bundesgerichtshof stärkt Händlerverband den Rücken

Donnerstag, 04. Januar 2012

Der deutsche BGH hat Händlerverbände als Vertreter der Interessen ihrer Mitglieder erheblich gestärkt. Ausgangspunkt des Streites war eine einseitige Margenkürzung durch den Importeur bei mehreren Modellen. Nach der Entscheidung ist ein Händlerverband berechtigt, mit Klage gegen Hersteller oder Importeur vorzugehen, sofern die Rechtsverfolgung der satzungsgemäßen Wahrnehmung der geschäftlichen Belange seiner Mitglieder entspricht. Dabei kann auch im Namen nur einzelner Mitglieder geklagt werden, wenn diese Klage dem Zweck dient, die geschäftlichen Belange aller Mitglieder oder wenigstens der Mehrheit der Mitglieder zu verfolgen (VIII ZR 118/10, 21.09.11)

Aus dem Sachverhalt:

Die Beklagte ist die deutsche Importeurin von Citroën-Fahrzeugen. Der Kläger nimmt verbandsmäßig die Interessen der Citroën-Vertragshändler wahr. Seine Aufgaben sind in der Vereinssatzung beschrieben. Darin finde sich folgende Regeln:

"Die Wahrung der Interessen seiner Mitglieder gegenüber C. Deutschland AG [= Bekl.] im Falle von Maßnahmen, Handlungen oder Unterlassungen der C. Deutschland AG, die geeignet sind, die wirtschaftliche Ertragskraft der Mitglieder beim Vertrieb der Vertragsware und/oder bei der Erbringung von Serviceleistungen zu beeinträchtigen (insbesondere bei Margen- und anderen Leistungskürzungen). Der Verein ist im Falle eines entsprechenden Entscheides der Mitgliederversammlung (§ 5 Ziff. 3a 6.) berechtigt, die Interessen seiner Mitglieder auch mit dafür notwendigen rechtlichen Schriften, insbesondere Zivilklage und Beschwerde vor den Kartellbehörden, gegenüber der C. Deutschland AG durchzusetzen."

Die Importeur-Gesellschaft reduzierte (auf Basis der veröffentlichten Preisliste) die Händlerspanne bei mehreren Modellen. Zwischen dem Händlerverband und dem Importeur wurden nachfolgend Verhandlungen über die Reduzierung der Händlermarge geführt, die erfolglos blieben. Nachfolgend wurde in der Mitgliederversammlung im Händlerverband der einstimmige Beschluss gefasst, die notwendigen rechtlichen Schritte einzuleiten, um eine Rückgängigmachung der Margenreduzierungen zu erreichen.

Die Beklagte hat die Händlerverträge zwischenzeitlich zum 31. Mai 2011 gekündigt. Der Kläger hat zunächst die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, bei seinen Mitgliedern, die mit der Beklagten einen C.-Händlervertrag abgeschlossen haben, die Margen für die betroffenen Modelle zu kürzen. Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

In der Berufungsinstanz hat der Kläger sein Begehren dahin abgeändert, dass er die Beklagte nunmehr für den Zeitraum bis zum 31. Mai 2011 auf Unterlassung der vorgenannten Margenkürzungen bei allen Verbandsmitgliedern in Anspruch nimmt. In Anbetracht der vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken gegen eine ausreichende Offenlegung der betroffenen Vertragshändler hat der Kläger diesen Unterlassungsantrag hilfsweise auf neun namentlich benannte Mitgliedsunternehmen beschränkt, deren Geschäftsführer dem Vorstand des Klägers angehören. Das Oberlandesgericht hat diese Anträge als unzulässig abgewiesen. Mit der vom Senat beschränkt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag weiter.

Aus den Entscheidungsgründen

Dem Kläger kann ein schutzwürdiges Interesse an den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Unterlassungsansprüchen nicht abgesprochen werden.

a) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist bei verbandsmäßigen Zusammenschlüssen ein solches Interesse grundsätzlich dann anzuerkennen, wenn die in Frage stehende Rechtsverfolgung der satzungsgemäßen Wahrnehmung der geschäftlichen Belange der Verbandsmitglieder entspricht.

b) So verhält es sich hier. Zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Klägers zählt die Wahrung der Interessen seiner Mitglieder im Falle von Margenkürzungen einschließlich der Einleitung eines gegen die Beklagte gerichteten Zivilprozesses (§ 2 Ziffer 6 der Satzung). Diesem Zweck dient nicht nur die im Streitfall ursprünglich erhobene Klage, sondern auch der in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag.

aa) Anders als das Berufungsgericht meint, steht dem nicht entgegen, dass der Kläger das gestellte Unterlassungsbegehren in seinem - allein noch maßgeblichen - Hilfsantrag auf die zwischen der Beklagten und neun namentlich benannten Mitgliedsunternehmen bestehenden Vertragsverhältnisse beschränkt hat. Denn eine satzungsgemäße Wahrnehmung der geschäftlichen Belange der Mitglieder setzt nicht zwingend voraus, dass rechtliche Schritte für alle oder zumindest für die Mehrheit der Mitglieder eingeleitet werden. Vielmehr kann auch eine auf einzelne Mitglieder beschränkte Klage dem Zweck dienen, die geschäftlichen Belange sämtlicher oder wenigstens der Mehrheit der Mitglieder zu verfolgen. Entscheidend für ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einer gewillkürten Prozessstandschaft ist daher nicht die Anzahl der Mitglieder, für welche er einen Zivilprozess führt, sondern ob das Klageziel auch die geschäftlichen Interessen der übrigen Mitglieder berührt und sich nicht in der - vom Satzungszweck nicht gedeckten - Durchsetzung von Individualinteressen erschöpft.

bb) Gemessen an diesen Maßstäben ist hinsichtlich des Hilfsantrags ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Verfolgung der Rechte der neun namentlich benannten Mitglieder zu bejahen. Dem Kläger obliegt nach § 2 Ziffer 6 seiner Satzung die Aufgabe, die Interessen seiner Mitglieder zu wahren. Dabei ist er im Falle eines Mehrheitsentscheids der Mitgliederversammlung (§ 5 Ziffer 3 a) 6 der Satzung) gehalten, die hierfür erforderlichen rechtlichen Maßnahmen zu ergreifen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger ist mit Beschlüssen der anwesenden Mitglieder vom 7. Dezember 2006, vom 24. November 2007 und vom 22. November 2008 beauftragt worden, zur Wahrung der Interessen seiner Mitglieder rechtliche Schritte gegen die Beklagte einzuleiten. Zur Erfüllung der ihm durch die Vereinssatzung und die gefassten Beschlüsse übertragenen Rechte und Pflichten hat der Kläger zunächst Feststellungsklage gegen die Beklagte erhoben, die er später in eine Unterlassungsklage abgeändert hat. Dass er das Unterlassungsbegehren mit dem Hilfsantrag auf die neun Mitgliedsunternehmen beschränkt hat, deren Geschäftsführer dem Vorstand des Klägers angehören, beruht auf den vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken an einer hinreichenden Konkretisierung des Mitgliederbestands, also auf rein prozessualen Erwägungen, und nicht darauf, dass die geschäftlichen Interessen der benannten neun Mitglieder anders gelagert wären als die der übrigen Verbandsangehörigen.

Das eigene rechtliche Interesse des Klägers an der Durchsetzung der im Hilfsantrag geltend gemachten Ansprüche wird entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht dadurch berührt, dass ein im vorliegenden Verfahren erstrittenes Urteil nur Rechtskraftwirkung zwischen den benannten Vertragshändlern und der Beklagten entfaltet. Trotz dieser Einschränkung dient die gewählte Form der Rechtsverfolgung der Erfüllung der dem Kläger übertragenen Wahrnehmung der kollektiven Interessen seiner Mitglieder. Denn der Inhalt eines im Verhältnis zwischen der Beklagten und den neun namentlich benannten Mitgliedsunternehmen ergehenden Urteils bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die geschäftlichen Belange der übrigen Mitglieder des Klägers. Die vorliegend aufgeworfene Rechtsfrage, ob die von der Beklagten vorgenommenen Margenkürzungen zulässig sind, lässt sich generell und damit losgelöst von individuellen Vertragshändlerverhältnissen beantworten. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die rechtliche Beurteilung des Streitfalls auch für die übrigen Händlerverträge Bedeutung gewinnt, sei es aufgrund einer darauf basierenden Verständigung der (Vertrags-)Parteien oder deswegen, weil die Gerichte in einem nachfolgenden Rechtsstreit den vorliegend eingenommenen Rechtsstandpunkt - zur Vermeidung divergierender Entscheidungen - teilen.

3. Auch die für die Prozessstandschaft erforderliche Ermächtigung durch die Rechtsinhaber liegt vor. § 2 Abs. 6 der Satzung des Klägers sieht ausdrücklich für den Fall eines mit Stimmenmehrheit gefassten Mitgliederentscheids die Möglichkeit einer gerichtlichen Geltendmachung von Mitgliederinteressen durch den Kläger vor und regelt auch das Verfahren zur Einleitung gerichtlicher Schritte. Die Satzung trägt daher dem Umstand Rechnung, dass bei der Erfüllung der satzungsmäßigen Aufgaben des Vereins von vorneherein auch mit gerichtlichen Auseinandersetzungen zu rechnen ist. Bei dieser Sachlage liegt in § 2 Abs. 6 der Satzung des Klägers bereits eine Ermächtigung durch die Vereinsmitglieder - und damit auch durch die neun vom Kläger im vorliegenden Verfahren repräsentierten Mitglieder - zur Geltendmachung des vorliegenden Anspruchs für den Fall eines - hier vorliegenden - Mehrheitsentscheids der Mitglieder.

4. Da es sich bei den vom Kläger verfolgten Ansprüchen auf Rückgängigmachung von Margenkürzungen nicht um Unterlassungsansprüche im Sinne der §§ 1, 2 UKlaG handelt und auch kein wettbewerbsrechtlicher Kontext besteht, kommt es für die Klagebefugnis nicht darauf an, ob der Kläger nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG oder nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG für entsprechende Ansprüche klagebefugt wäre

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht den Hilfsantrag als unzulässig abgewiesen hat; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses sich mit der Frage der Begründetheit des Hilfsantrags befassen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).