neue KFZ-GVO erlassen

Freitag, 27. Mai 2010

Die Europäische Kommission hat heute überarbeitete Wettbewerbsvorschriften in Form einer Gruppenfreistellungsverordnung (VO 461/2010) für Vereinbarungen zwischen Kfz-Herstellern und deren zugelassenen Händlern, Werkstätten und Ersatzteilanbietern angenommen. Die neuen Regeln werden den Wettbewerb auf dem Markt für Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen stärken, denn der Zugang zu erforderlichen Reparaturinformationen und die Verwendung alternativer Ersatzteile werden erleichtert. Auf der Grundlage der überarbeiteten Regeln kann die Kommission wirksam gegen Kfz‑Hersteller vorgehen, die verlangen, dass Kraftfahrzeuge nur in von ihnen zugelassenen Werkstätten gewartet werden, und damit ihrer Gewährleistungspflicht nicht ordnungsgemäß nachkommen. Die neuen Regeln werden auch zu einer Verringerung der Vertriebskosten für Neufahrzeuge beitragen, da allzu restriktive Bestimmungen nicht beibehalten werden.

„Ich bin fest davon überzeugt, dass der neue Rechtsrahmen spürbare Vorteile für die Verbraucher bringen wird, da sich die Reparatur- und Wartungskosten verringern werden, die während der Nutzungsdauer eines Fahrzeugs einen extrem hohen Anteil der gesamten Kfz-Kosten ausmachen. Er wird auch eine Verringerung der Vertriebskosten ermöglichen, indem Überreglementierung vermieden wird", so Wettbewerbskommissar und Kommissionsvizepräsident Joaquín Almunia.

Heute hat die Kommission eine neue Gruppenfreistellungsverordnung (VO 461/2010) und neue Leitlinien zur Anwendung der Wettbewerbsregeln auf den Kfz-Sektor angenommen.

Den neuen Regeln zufolge kommen Vereinbarungen zwischen Kfz-Herstellern und zugelassenen Werkstätten nur noch dann für die Gruppenfreistellung in Betracht, wenn keines der beteiligten Unternehmen einen Marktanteil von mehr als 30 % hat. Dies entspricht dem allgemeinen Rechtsrahmen für vertikale Vereinbarungen (Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 330 für vertikale Beschränkungen vom 20. April 2010, siehe IP/10/445 und MEMO/10/138). Auf der Grundlage der neuen Regeln kann die Kommission die Verbraucher besser vor möglichen Missbräuchen schützen, so beispielsweise, wenn ein Kfz‑Hersteller unabhängigen Werkstätten den Zugang zu technischen Informationen verweigert. Auf diese Weise wird der Wettbewerb zwischen zugelassenen und unabhängigen Werkstätten gestärkt.

Durch die neuen Regeln wird der Zugang von Werkstätten zu alternativen Ersatzteilen verbessert. Dies ist insofern wichtig, als Ersatzteile einen erheblichen Teil der Reparaturkosten ausmachen können.

Kfz-Herstellern ist es nicht mehr möglich, ihre Gewährleistungspflicht davon abhängig zu machen, dass Wartungsleistungen wie beispielsweise Ölwechsel nur in zugelassenen Werkstätten durchgeführt werden. Gleichwohl bleibt es Kfz‑Herstellern unbenommen zu verlangen, dass unter die Gewährleistung fallende Reparaturen, für die sie selbst aufkommen müssen, nur von Vertragswerkstätten vorgenommen werden.

All dies ist für die Verbraucher von Interesse, da auf Reparaturen schätzungsweise 40 % der Gesamtkosten der Fahrzeughaltung entfallen und diese Kosten in den letzten Jahren gestiegen sind.

Im Hinblick auf den Kfz-Vertrieb hat die Kommission festgestellt, dass auf den Märkten für den Verkauf von Neufahrzeugen starker Wettbewerb herrscht. Die Margen der Kfz-Hersteller und Kfz-Händler sind gering, und mehrere Jahre lang haben Produktionsüberkapazitäten und technologische Neuerungen zum Nutzen der Verbraucher zur Senkung der Kfz-Preise und zur Verbesserung des Angebots beigetragen. Die Finanzkrise hat den Preisdruck sogar noch verschärft.

Unter diesen Umständen haben sich die bisherigen Regeln als zu kompliziert und restriktiv erwiesen und indirekt die Vertriebskosten in die Höhe getrieben, auf die durchschnittlich 30 % des Preises eines Neufahrzeugs entfallen.

Daher werden die entsprechenden Regeln gemäß dem Vorschlag der Kommission vereinfacht, und der Markt für den Kfz-Vertrieb wird künftig genauso behandelt wie alle anderen Märkte. Das derzeitige Vertriebssystem wird in den meisten Fällen weiterhin unter die Gruppenfreistellung fallen, doch werden bestimmte sektorspezifische Klauseln entfallen, die sich als unwirksam oder kontraproduktiv erwiesen haben. Der neue Rechtsrahmen ermöglicht den Kfz-Herstellern eine flexiblere Organisation diverser Netze, in denen Händler, die mehrere Marken führen, und Händler, die ausschließlich die Fahrzeuge eines Herstellers vertreiben, nebeneinander existieren.

Die neuen Regeln treten in Bezug auf die Märkte für Reparatur- und Wartungsdienstleistungen am 1. Juni 2010 in Kraft bzw. in Bezug auf die Märkte für den Kfz-Verkauf am 1. Juni 2013. Sie gelten bis zum 31. Mai 2023.

Die Kommission wird die Entwicklungen im Kfz-Sektor weiterhin genau verfolgen und geeignete Abhilfemaßnahmen ergreifen, wenn es zu wettbewerbsrechtlich bedenklichen Praktiken oder einer Änderung der Wettbewerbsbedingungen kommen sollte.

Hintergrund

Durch Gruppenfreistellungsverordnungen werden bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, die die in diesen Verordnungen festgelegten Voraussetzungen erfüllen, vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Geschäftspraktiken freigestellt, das in Artikel 101 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankert ist. Die bisherigen Regeln für den Kfz-Sektor (Verordnung 1400/2002) wurden 2002 angenommen und laufen am 31. Mai aus. Vor der Annahme der neuen Regeln führte die Kommission eine umfassende Konsultation durch.

In den vergangenen Jahren ist die Kommission gegen vier Kfz-Hersteller -DaimlerChrysler, Fiat, Toyota und GM - vorgegangen, damit sie unabhängigen Werkstätten einen angemessenen Zugang zu Reparaturinformationen geben (siehe IP/07/1332). Zu Wettbewerbsproblemen kann es aber auch beim Zugang zu Ersatzteilen und durch die Ablehnung von Gewährleistungsansprüchen kommen, wenn Verbraucher Reparaturen in nicht zugelassenen Werkstätten durchführen lassen. In den heute angenommenen Leitlinien und Bestimmungen der Gruppenfreistellungsverordnung (VO 461/2010) erläutert die Kommission den betroffenen Marktteilnehmern eingehend, wie sie die Wettbewerbsregeln in diesen Bereichen anwenden wird.

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Dr. Johannes Öhlböck LL.M.

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