Zugang zu technischen Informationen - FAQ zur VO 461/2010

Samstag, 01. Februar 2013

Die Europäische Kommission hat am 27. August 2012 eine Sammlung häufig gestellter Fragen (freequently asked questions, FAQ) zur neuen Gruppenfreistellungsverordnung für den KFZ-Sektor (VO 461/2010, „After-Sales-GVO“) publiziert. Hier finden Sie jenen Teil aus den FAQ, der sich mit dem Thema Zugang zu technischen Informationen beschäftigt.

Zugang zu technischen Informationen - FAQ zur VO 461/2010

Trotz der ausführlichen Erläuterungen in den Ergänzenden Leitlinien zu diesem Thema, sind bei der Kommission und den einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden Fragen zu Sicherheit und Schutz von Fahrzeugen, Preisgestaltung und der besonderen Frage der Wartungsgeschichte von Fahrzeugen eingegangen.

15. Darf ein Fahrzeughersteller aus Gründen der Sicherheit und des Schutzes seiner Fahrzeuge unabhängigen Marktteilnehmern den Zugang zu technischen Informationen verweigern?

Unter der Annahme, dass ein Kraftfahrzeughersteller aller Wahrscheinlichkeit nach die einzige Bezugsquelle für das gesamte Spektrum an technischen Informationen für Fahrzeuge seiner Marken ist (so dass die Vereinbarungen über die Bereitstellung dieser Informationen nicht in den „geschützten Bereich“ der Kfz-GVO fallen), lautet die Antwort: grundsätzlich nein. Da es sich in diesem Fall im Grunde um eine Quasi- Monopolstellung handelt, ist die Verweigerung des Zugangs zu technischen Informationen aus Gründen der Sicherheit und des Schutzes der betreffenden Fahrzeuge in der Regel nicht mit EU-Wettbewerbsrecht vereinbar. Grundsätzlich sind Kraftfahrzeughersteller verpflichtet, technische Informationen, die sich allein in ihrer Hand befinden, an unabhängige Marktbeteiligte weiterzugeben. Nur in Ausnahmefällen kann eine Vorenthaltung dieser Informationen aus Gründen der Sicherheit und des Schutzes des Fahrzeugs gerechtfertigt sein. In Einzelfällen könnten folgende Aspekte zum Tragen kommen:

Der Umfang der betreffenden Informationen:
Unabhängige Werkstätten kennen sich im Allgemeinen mit den sicherheitsrelevanten Systemen des Fahrzeugs aus (z. B. Reifen, Lenkung, Bremsen und Stoßdämpfer) und haben bereits mit diesen Systemen gearbeitet, ohne dass dies nachweisbare Sicherheitsprobleme verursacht hätte. Es ist unwahrscheinlich, dass Beschränkungen, die damit begründet werden, dass diese sicherheitsrelevanter Art seien, als gerechtfertigt betrachtet werden.

Die Verfügbarkeit weniger restriktiver Formen des Schutzes Sicherheit: Besteht die Notwendigkeit, den Zugang zu einem sicherheitsrelevanten Teil zu beschränken, mit denen unabhängige Werkstätten wahrscheinlicht nicht vertraut sind (z. B. im Falle eines für ein bestimmtes Kfz-Modell typischen Hochspannungssystems oder eines Verfahrens für den Austausch von Karosserieteilen aus Kohlenstoffverbundwerkstoff), so sollte der Fahrzeughersteller versuchen, die von ihm gewünschten Ergebnisse in einer Weise zu erreichen, für die möglichst geringe Beschränkungen erforderlich sind. So könnte beispielsweise von den unabhängigen Werkstätten verlangt werden, dass sie an einer Schulung zu dem betreffenden System oder Verfahren teilnehmen. Bietet der Kraftfahrzeughersteller oder ein in seinem Auftrag handelndes Unternehmen eine solche Schulung an, sollte allerdings von der unabhängigen Werkstatt nicht verlangt werden, dass sie eine umfassendere Schulung absolviert, als für die Ausführung der Arbeiten an dem betreffenden System bzw. für einen fachgerechten Umgang mit der Technik, für die die Ausnahme geltend gemacht wird, erforderlich ist.

Schutz des Fahrzeugs: Im Interesse des Schutzes der Fahrzeuge käme eine Überprüfung des Vorstrafenregisters als eine geeignete und weniger restriktive Schutzmaßnahme in Betracht.

16. Darf ein Fahrzeughersteller Preisnachlässe oder Erstattungen für technische Informationen gewähren, wenn eine zugelassene Werkstatt eine bestimmte Menge an Ersatzteilen oder Werkzeugen der Marke des Fahrzeugherstellers abnimmt?

Diese Frage wird weder in der Kfz-GVO noch in den Ergänzenden Leitlinien behandelt. Unter bestimmten Umständen kann ein solches Vorgehen den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und somit einen Verstoß gegen EUWettbewerbsrecht darstellen.

Der Fahrzeughersteller ist wahrscheinlich die einzige Quelle für das gesamte Spektrum an technischen Informationen für die Fahrzeuge der Herstellermarken. Wenn Preisnachlässe oder Erstattungen für technische Informationen an die Bedingung geknüpft werden, dass die betreffende Werkstatt eine bestimmte Menge an Ersatzteilen oder Werkzeugen der Marken des betreffenden Herstellers kauft, könnte dies bedeuten, dass der Kraftfahrzeughersteller seine beherrschende Stellung auf diesem Markt missbräuchlich ausnutzt, um auf einem anderen Markt Vorteile zu erzielen.

17. Kann eine unabhängige Werkstatt daran gehindert werden, auf die elektronischen oder gedruckten Aufzeichnungen zur Wartungsgeschichte eines Fahrzeugs zuzugreifen oder diese zu aktualisieren?

Insoweit als der Kraftfahrzeughersteller und/oder seine zugelassenen Werkstätten wahrscheinlich die einzige Quelle für umfassende Aufzeichnungen über die Fahrzeuge der Herstellermarken sind, lautet die Antwort nein. Eine Verweigerung des Zugangs zur Wartungsgeschichte würde wahrscheinlich dazu führen, dass die Vereinbarungen zwischen dem Kraftfahrzeuganbieter und seinen zugelassenen Werkstätten gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoßen. Bestehende Aufzeichnungen über Kundendienst- und Instandsetzungsarbeiten sind, unabhängig davon, in welcher Form sie vorliegen, für die Zwecke der Anwendung der Ergänzenden Leitlinien als technische Informationen zu behandeln. In der Regel benötigt die Werkstatt Zugang zu derartigen Aufzeichnungen, damit sie weiß, welche Maßnahmen durchgeführt werden müssen, um den Wartungsplan zu erfüllen. Im Falle unvollständiger Aufzeichnungen zu Kundendienstleistungen und Instandsetzung würde der Restwert des Fahrzeugs wahrscheinlich sinken, und es wäre schwierig nachzuweisen, dass die Gewährleistungsauflagen eingehalten wurden. Wenn unabhängige Werkstätten diese Aufzeichnungen nicht aktualisieren könnten, könnte dies Verbraucher veranlassen, ihr Fahrzeug nicht zu unabhängigen Werkstätten zu bringen, so dass diese Werkstätten von einem wesentlichen Teil des Marktes ausgeschlossen würden.

FAQ zur VO 461/2010

Sammlung häufig gestellter Fragen (freequently asked questions, FAQ) zur neuen Gruppenfreistellungsverordnung für den KFZ-Sektor (VO 461/2010, „After-Sales-GVO“)

Rechtsanwalt

Dr. Johannes Öhlböck LL.M.

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