Kommission gewährt Zugang zu Reparaturinformationen der Kfz-Hersteller

Montag, 16. September 2007

Die Europäische Kommission hat auf der Grundlage von Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 vier Entscheidungen angenommen, die die Kfz-Hersteller DaimlerChrysler, Toyota, General Motors und Fiat rechtlich binden, allen unabhängigen Werkstätten in der EU technische Informationen für Fahrzeugreparaturen zur Verfügung zu stellen.

Die Verpflichtungszusagen der betreffenden Kfz-Hersteller erfolgten, nachdem eine Untersuchung der Kommission ergeben hatte, dass die Vereinbarungen zwischen diesen Herstellern und den von ihnen zugelassenen Werkstätten gegen die Bestimmungen des EG-Vertrags über wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen (Artikel 81) verstoßen, weil dadurch unabhängige Reparaturbetriebe vom Markt gedrängt werden könnten, wenn sie keinen angemessenen Zugang zu sämtlichen technischen Informationen haben. Die daraus resultierende Wettbewerbseinschränkung zwischen den Autowerkstätten würde für die Verbraucher eine geringere Auswahl und höhere Preise bedeuten, da unabhängige Werkstätten zumeist günstiger sind als Vertragswerkstätten - mitunter um über 50 %. Außerdem bestünde die Gefahr, dass Fahrzeuge, die ohne die entsprechenden technischen Informationen repariert werden, nicht den Sicherheitsanforderungen entsprechen und zu Umweltverschmutzung und erhöhtem Treibstoffverbrauch beitragen. Die eingegangen Verpflichtungen sind bis zum Ablauf der Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugsektor (Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission) im Mai 2010 verbindlich. Dann wird auch die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Rates über Kfz-Emissionen in Kraft treten, mit der Fahrzeughersteller verpflichtet werden, unabhängigen Werkstätten standardmäßig Zugang zu allen technischen Reparaturinformationen zu gewähren.

Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte: „Der Wettbewerb zwischen den Reparaturbetrieben wird zu geringeren Arbeitskosten und günstigeren Ersatzteilpreisen führen, was letztendlich dem Verbraucher zugute kommt. Die Entscheidungen kommen zum richtigen Zeitpunkt und bringen eine konkrete Lösung für die Probleme der unabhängigen Werkstätten, die ohne den Zugang zu den einschlägigen Reparaturinformationen nicht mehr wettbewerbsfähig wären."

Der Schutz des Wettbewerbs auf den EU-Märkten für Kfz-Reparatur und Wartung ist eines der Ziele der Gruppenfreistellungsverordnung für den Kfz-Sektor (Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission). Unabhängige Werkstätten sind für den europäischen Verbraucher wichtig, weil sie Wettbewerbsdruck auf die Vertragswerkstätten ausüben. So haben Studien ergeben, dass die Preise der Vertragswerkstätten in Deutschland 16 % über den von unabhängigen Reparaturbetrieben liegen, während im Vereinigten Königreich die Differenz zwischen dem Preis für einen Standardservice eines unabhängigen Betriebs und dem der Vertragshändler der höherpreisigen Marken mehr als 120 % beträgt. Wenn man bedenkt, dass die über den gesamten Lebenszyklus' eines Autos entstehenden Reparatur- und Wartungskosten etwa dem Erstanschaffungspreis eines Wagens entsprechen, fallen diese Unterschiede umso mehr ins Gewicht.

Autos werden immer technisch immer komplizierter, so dass selbst bei normalerweise einfachen Reparaturen qualifizierte Techniker mit markenspezifischem Fachwissen notwendig sind. In allen vier Fällen kam die Kommission zu dem vorläufigen Ergebnis, dass die Kfz-Hersteller den unabhängigen Werkstätten offenbar bestimmte technische Informationen vorenthalten oder in einer unangemessenen Art zur Verfügung stellen. Diese offensichtliche Diskriminierung könnte dazu führen, dass die unabhängigen Werkstätten vom Markt verdängt werden, was sich sehr zum Nachteil der Verbraucher auswirken dürfte. Die Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 verbietet ein derartiges Verhalten; sie sieht vielmehr vor, dass den unabhängigen Werkstätten ein gleichberechtigter Zugang zu sämtlichen Informationen gewährt werden muss, und zwar in einer Form, die den Erfordernissen der unabhängigen Werkstätten entspricht.

Die Entscheidungen vom heutigen Tag beruhen auf Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates und auf eingehenden Untersuchungen der Zusagen von DaimlerChrysler, Toyota, General Motors und Fiat, dass sie unabhängigen Reparaturbetrieben technische Reparaturinformationen bereitstellen und dem Ergebnis der Konsultationen zu diesen Verpflichtungen Rechnung tragen werden (siehe IP/07/409). Diese durch die Entscheidungen verbindlich gewordenen Verpflichtungen lauten in etwa gleich und umfassen drei wesentliche Elemente.

Erstens wird der Begriff „technische Informationen" geklärt und festgelegt, dass alle derartigen Informationen, die den Vertragswerkstätten bereitgestellt werden, auch den unabhängigen Werkstätten zur Verfügung gestellt werden müssen.
Zweitens dürfen Kfz-Hersteller Informationen über Diebstahlsicherungen oder leistungseinschränkende Funktionen der Bordelektronik zwar zurückhalten, sie müssen allerdings sicherstellen, dass dies nicht zur Folge hat, dass unabhängige Werkstätten keine nicht unmittelbar mit diesen Funktionen zusammenhängenden Reparaturen mehr durchführen können.
Drittens wird durch die Verpflichtungszusagen gewährleistet, dass die unabhängigen Werkstätten die Informationen ungebündelt und zu einem Preis erhalten, der dem Gebrauch entspricht, den diese davon machen. Die Parteien einigten sich darauf, dass die technischen Informationen über Websites bereitgestellt werden, die während der gesamten Geltungsdauer der Verpflichtungszusagen zugänglich bleiben. Der Zugang erfolgt nach Zeitfenstern; der dafür zu entrichtende Stundenpreis wurde in einer Höhe festgelegt, die die Gleichbehandlung zwischen den unabhängigen Werkstätten und Vertragswerkstätten gewährleistet.

Alle vier Fahrzeughersteller akzeptieren das für die Streitbelegung festgelegte Schieds- bzw. Vermittlungsgremium.
Die Entscheidungen sind für den Schutz des Wettbewerbs in dieser Branche von zentraler Bedeutung und sollten Hersteller anderer Marken dazu veranlassen, die Art und Weise, wie sie ihre technischen Informationen bereitstellen, genauer unter die Lupe zu nehmen.

Ein Verstoß gegen die verbindlichen Verpflichtungszusagen gemäß Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 wird mit Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % des Unternehmensumsatzes belegt.

Rechtsanwalt

Dr. Johannes Öhlböck LL.M.

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