Der Generalimporteur für Neufahrzeuge der Marke Suzuki hat Händlervertrag und Servicevertrag eines Vertragspartners gekündigt. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit Fragen der Begründung dieser Kündigung auseinandergesetzt und dem Händler vorerst Recht gegeben. In einem weiteren Schritt wirde zu prüfen sein, ob die Kündigung unsachliche („emotionale"), ausdrücklich verpönte oder überhaupt keine nachvollziehbaren Gründe hat und diesfalls unwirksam wäre. (OGH 20.10.2009, 4 Ob 119/09t)
Rechtssätze:
- Bei der Kündigung eines KFZ-Händlervertrages sind „objektive Gründe" nicht nur im Kündigungsschreiben anzugeben, sondern müssen auch tatsächlich vorliegen.
- Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002 ist zweifellos so zu verstehen. Eine andere Auslegung führte zum unhaltbaren Ergebnis, dass eine formal unangreifbare Begründung ohne Rücksicht auf ihre sachliche Richtigkeit zur Wirksamkeit der Kündigung führte. Eine ordentliche Kündigung ist nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam. Die für eine ordentliche Kündigung erforderlichen sachlichen Gründe müssen nicht so schwer wiegen, dass auch eine außerordentliche (fristlose) Kündigung berechtigt wäre. Vielmehr genügt es, dass die Kündigung auf einem objektiv nachvollziehbaren und von der Rechtsordnung nicht verpönten Grund beruht
- Art 3 Abs 4 Kfz-GVO ist daher nicht Ausdruck eines allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatzes, sondern dient ausschließlich der Verhinderung wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen. Er hat daher keine Leitbildfunktion für die Konkretisierung der gröblichen Benachteiligung in § 879 Abs 3 ABGB.
- Art 6 Abs 1 Kfz-GVO und Art 29 Abs 2 VO [EG] Nr 1/2003 sind schon nach ihrem Wortlaut nur dann anwendbar, wenn eine Vereinbarung zwar die Voraussetzungen der bzw einer GVO erfüllt, aber dennoch im Einzelfall mit Art 81 Abs 3 EG-V unvereinbar ist.
- Gruppenfreistellungsverordnungen sind keine Verbotsnormen, sondern Bedingungen für den Eintritt eines Rechtsvorteils, nämlich der Freistellung vom Kartellverbot.
Aus dem Sachverhalt:
Die Beklagte ist österreichische Generalimporteurin für Neufahrzeuge und Originalersatzteile der Marke Suzuki und innerhalb der Suzuki-Vertriebsorganisation ausschließlich zuständig, in Österreich Händler- und Serviceverträge abzuschließen. Die Klägerin ist ein auf den Verkauf von Neufahrzeugen und die Erbringung von Werkstättenleistungen spezialisiertes Unternehmen. Sie hat - anscheinend nach einer schon länger bestehenden Geschäftsbeziehung - Ende 2003 einen (weiteren) Händler- und einen Servicevertrag mit der Beklagten geschlossen. Nach dem Händlervertrag besteht Gebietsschutz; die Beklagte darf daher im Vertragsgebiet keinen anderen Neuwagenhändler ernennen. Beide Verträge enthalten weiters folgende Klausel:
„Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann von jeder Partei mit einer Frist von zwei Jahren zum Monatsende gekündigt werden.
Eine Kündigung durch den Generalimporteur muss eine ausführliche, objektive und transparente Begründung enthalten. Diese Verpflichtung zur Angabe einer Begründung dient lediglich dazu festzustellen, dass der Generalimporteur den Vertrag nicht beendet hat, um Praktiken anzuwenden, die den Wettbewerb auf gesetzwidrige Weise beschränken. Sie hat keine rechtliche Auswirkung auf die Gültigkeit der Kündigung."
Am 5. Dezember 2006 richtete die Beklagte folgendes Schreiben an die Klägerin:
„Mit diesem Schreiben kündigen wir den zwischen Ihnen und uns bestehenden Händlervertrag vom 17.12.2003 und den Service-Vertrag vom 17.12.2003 zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin, das ist der 31.12.2008. Der Grund für diese Maßnahme liegt darin, dass es uns schon seit längerem nicht mehr möglich ist, mit Ihnen Übereinstimmung in grundsätzlichen Fragen der Vertriebspartnerschaft zu erzielen. Ein KFZ-Händlervertrag ist kein bloßes Austauschverhältnis, in dem jede Vertragspartei ohne Bedachtnahme auf die Interessen des anderen ihre Position bestmöglich durchzusetzen versucht. Vielmehr geht es um eine gelebte Partnerschaft, die von einem gemeinsamen Ziel - der Stärkung der Präsenz der Marke Suzuki im Vertragsgebiet und der Steigerung der Leistungsfähigkeit des Suzuki-Vertriebssystems im Wettbewerb mit anderen Marken - getragen sein muss.
Diese partnerschaftliche Einstellung konnten wir bei A***** GmbH (Anmerkung: Klägerin) nicht mehr hinreichend feststellen. Die überaus zahlreichen Reklamationsbriefe, Vorwürfe und Forderungen, die wir ständig aus Ihrem Haus erhalten (was in dieser Form in unserem Vertriebssystem bei keinem anderen Händler vorkommt), sprechen eine deutliche Sprache. All das geht Hand in Hand mit wenig Rücksichtnahme, wenn es um Belange des Importeurs geht (vgl. etwa die Vorfälle um das Autohaus M*****). Insgesamt ist nicht zu übersehen, dass sich Auto M***** und Suzuki Austria auseinander gelebt haben. Wir bedauern, dass damit die langjährige Zusammenarbeit endet, sind aber davon überzeugt, dass dies letztlich im Interesse aller Beteiligten liegt. Wir ersuchen Sie, die Geschäftsbeziehung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vertragskonform und professionell (also auch im Sinne Ihrer vertraglichen Absatzförderungspflicht) zu Ende zu bringen."
Die Klägerin beantragte, der Beklagten zu untersagen, in Verletzung des Händlervertrags einen anderen Händler für Suzuki-Neufahrzeuge für das Vertragsgebiet zu ernennen. Hilfsweise begehrte sie die Feststellung, dass die Kündigung des Händler- und des Servicevertrags unwirksam sei. Die Kündigung sei weder ausreichend begründet noch sachlich gerechtfertigt. Jener Teil der Kündigungsklausel, wonach das Fehlen einer „ausführlichen, objektiven und transparenten Begründung" keine rechtliche Auswirkung auf die Gültigkeit einer Kündigung habe, sei unwirksam. Denn er weiche in gröblich benachteiligender Weise von Art 3 Abs 4 der VO (EG) Nr 1400/2002 (Kfz-GVO 2002) ab, wonach eine solche Begründung erforderlich sei. Eine Kündigung werde oft als Druckmittel zur Verhinderung erlaubter Verhaltensweisen eingesetzt und beschränke dadurch den Wettbewerb zu Lasten der Verbraucher; die Begründungspflicht solle dies verhindern. Die Beklagte versuche unter Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung, diese Regelung zu umgehen. Ein an sich möglicher Entzug der Freistellung durch die Kommission sei totes Recht. Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002 sei daher als kartellrechtliches Gebot zu verstehen, das auch dann zu befolgen sei, wenn es in einer Vereinbarung ausgeschlossen wurde. Jedenfalls sei aber die strittige Klausel - auch in Zusammenhalt mit der Bestimmung, wonach eine nachträgliche Überprüfung der Frage durch einen Sachverständigen möglich sein müsse - in sich widersprüchlich, was die Beklagte nach § 915 ABGB gegen sich gelten lassen müsse. Die Beklagte sei zudem ein marktbeherrschendes Unternehmen und könne die Vertragsbeziehung auch aus diesem Grund nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes beenden. Tatsächlich habe die Kündigung aber nur „emotionale Gründe" gehabt.
Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.
Aus der rechtlichen Beurteilung:
1. Die Klägerin stützt ihr Begehren in der Sache auf zwei Argumente:
Zum einen fehle im Kündigungsschreiben eine „ausführliche, objektive und transparente Begründung", was schon aus formalen Gründen zur Unwirksamkeit der Kündigung führe; der die Relevanz des Begründungsmangels ausschließende letzte Satz der Kündigungsklausel sei wegen eines Verstoßes gegen Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002 (allenfalls iVm § 879 Abs 3 ABGB) unwirksam. Zum anderen dürfe die Beklagte aufgrund der Vertragsbestimmung und auch wegen ihrer Stellung als marktbeherrschendes Unternehmen die Vertragsbeziehung nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen beenden. Da solche Gründe nicht vorlägen, sei die Kündigung auch aufgrund materieller Erwägungen unwirksam.
2. Das formale Argument, die Kündigung sei schon wegen einer mangelhaften Begründung des Kündigungsschreibens unwirksam, kann nicht überzeugen.
2.1. Zwar sehen die relevanten Bestimmungen beider Verträge vor, dass eine Kündigung „ausführlich, objektiv und transparent" begründet werden müsse. Allerdings soll das nach dem eindeutigen Wortlaut des jeweils letzten Satzes der Klauseln keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Kündigung haben. Die von der Klägerin behauptete Unklarheit (§ 915 ABGB) liegt daher in Bezug auf die dort vorgesehene Unerheblichkeit der Form der Kündigung nicht vor. Das formale Argument der Klägerin könnte aus diesem Grund dann nur Erfolg haben, wenn dieser Satz (teil-)nichtig wäre.
2.2. Die Klägerin stützt sich zur Begründung einer solchen Nichtigkeit zunächst unmittelbar auf Art 3 Abs 4 der VO (EG) Nr. 1400/2002 (Kfz-GVO 2002). Diese Bestimmung lautet wie folgt:
„Die Freistellung gilt unter der Voraussetzung, dass in der vertikalen Vereinbarung mit einem Händler oder einer Werkstatt vorgesehen ist, dass der Lieferant eine Vereinbarung nur schriftlich kündigen kann und die Kündigung eine ausführliche Begründung enthalten muss, die objektiv und transparent ist, um einen Lieferanten daran zu hindern, eine vertikale Vereinbarung mit einem Händler oder einer Werkstatt wegen Verhaltensweisen zu beenden, die nach dieser Verordnung nicht eingeschränkt werden dürfen."
Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) stellen keine zwingenden Vorschriften auf, die die Gültigkeit oder den Inhalt von Vertragsbestimmungen unmittelbar berühren oder die Vertragsparteien zur Anpassung des Vertragsinhalts verpflichten; sie sind keine Verbotsnormen, sondern Bedingungen für den Eintritt eines Rechtsvorteils, nämlich der Freistellung vom Kartellverbot. Im konkreten Fall ergibt sich dies schon aus dem Wortlaut von Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2003, der gerade kein Verbot ausspricht, sondern nur eine der Bedingungen für die mit der Verordnung gewährte Freistellung enthält.
Ungeachtet dessen leitet die Revision eine unmittelbare (Verbots-)Wirkung von Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002 daraus ab, dass diese VO die Vorraussetzungen für eine Freistellung vom Kartellverbot umfassend regle; davon abweichende Teile von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen seien daher schon aus kartellrechtlichen Erwägungen unzulässig. Das kann jedoch auch abgesehen vom Wortlaut dieser Bestimmung und der schon dargestellten Rechtsprechung nicht überzeugen.
(a) Zum einen ist auch bei Nichterfüllung der Voraussetzungen einer GVO eine Einzelfreistellung möglich (Rs 10/86 - VAG France SA/Établissements Magne SA, Rz 13; Rs C-234/89 = Slg 1991 I-00935 - Delimitis/Henninger Bräu, Rz 41). Dafür ist nach dem Inkrafttreten von Art 1 Abs 2 der VO (EG) Nr 1/2003 keine (konstitutive) Entscheidung der Kommission mehr erforderlich; die Beurteilung obliegt vielmehr (auch) den Gerichten und Behörden der Mitgliedstaaten (Grill in Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag4 [2006] Art 81 Rz 39; Wollmann in Mayer, EU- und EG-Vertrag, Art 81 Rz 89). Die Freistellungsvoraussetzungen der GVO haben daher keinen abschließenden Charakter (BGH KZR 10/03 = GRUR 2005, 63 - Citroen; K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker I/24 [2007] Art 1 VO 1/2003 Rz 33 mwN).
(b) Zum anderen erfasst die Nichtigkeitssanktion nicht die gesamte Vereinbarung, sondern nur jene Teile, die entweder selbst unmittelbar vom Verbot des Art 81 Abs 1 EG-V erfasst sind oder sich von den davon erfassten Teilen nicht sinnvoll abtrennen lassen (3 Ob 296/99x = wbl 2001, 286). Die Nichtigkeit erstreckt sich daher nur auf die kartellrechtswidrigen Bestandteile; nur wenn sich diese vom restlichen Vertragswerk nicht trennen lassen, tritt Gesamtnichtigkeit ein (6 Ob 322/00x = wbl 2001, 445). Leitlinie für die Beurteilung des Umfangs der Nichtigkeit ist die Wiederherstellung der wettbewerblichen Handlungsspielräume der gebundenen Parteien (6 Ob 322/00x; 4 Ob 143/07v = wbl 2008, 251).
Im vorliegenden Fall hat die beanstandete Vertragsklausel gerade keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung. Denn sie ermöglicht es dem Lieferanten, eine Vereinbarung mit einem Mitbewerber seines bisherigen Vertragspartners zu schließen, ohne dem Risiko ausgesetzt zu sein, dass nachträglich die Unwirksamkeit der Kündigung des ursprünglichen Vertrags festgestellt wird. Aus kartellrechtlichen Erwägungen lässt sich die Teilnichtigkeit dieser Klausel daher nicht ableiten.
(c) Soweit sich die Revision darauf beruft, dass ein „Entzug" der Freistellung nach Art 6 Abs 1 Kfz-GVO und Art 29 Abs 2 VO [EG] Nr 1/2003 totes Recht sei, weswegen die Wirksamkeit des Kartellrechts nur durch die Qualifikation von Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002 als „kartellrechtliches Gebot" sichergestellt werden könne, verkennt sie die Bedeutung der erstgenannten Bestimmungen. Sie sind schon nach ihrem Wortlaut nur dann anwendbar, wenn eine Vereinbarung zwar die Voraussetzungen der bzw einer GVO erfüllt, aber dennoch im Einzelfall mit Art 81 Abs 3 EG-V unvereinbar ist (Ritter in Immenga/Mestmäcker I/24 Art 29 VO 1/2003 Rz 1). Ist demgegenüber schon die GVO unanwendbar, weil die zu beurteilende Vereinbarung nicht den Freistellungsvoraussetzungen entspricht, so greifen - außer bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einzelfreistellung nach Art 81 Abs 3 EG-V - unmittelbar Art 81 Abs 1 und 2 EG-V ein; der „Entzug" einer durch die GVO in einem solchen Fall ja gerade nicht gewährten Freistellung ist daher nicht erforderlich. Konsequenz ist vielmehr die in Art 81 Abs 2 EG-V angeordnete Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Abreden und gegebenenfalls der Anspruch des Händlers auf Ersatz des dadurch verursachten Schadens (EuGH C-421/05 - City Motors Groep/Citroen Belux, Rz 33).
2.3. Aus dem Kartellrecht lässt sich die Unwirksamkeit des strittigen Teils der Klausel daher nicht ableiten. Aber auch der von der Revision weiters herangezogene § 879 Abs 3 ABGB trägt dieses Ergebnis nicht.
2.3.1. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof eine Bestimmung der Kfz-GVO 1985 unter Hinweis auf die Leitbildfunktion des dispositiven Rechts (RIS-Justiz RS0014676) zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit iSv § 879 ABGB herangezogen hat (9 Ob 2065/96h = wbl 1998, 363 [Eilmansberger 340]). Im konkreten Fall war eine bloß dreimonatige Kündigungsfrist in einem KFZ-Händlervertrag zu beurteilen, während der bei Vertragsabschluss in der Europäischen Union geltende Art 5 Abs 2 Z 2 Kfz-GVO 1985 eine einjährige Frist vorgesehen hatte. Ein besonderes Problem lag dabei zwar darin, dass diese GVO im konkreten Fall in Österreich aus zeitlichen Gründen noch nicht anwendbar war. Ungeachtet dessen wertete der Oberste Gerichtshof die genannte Bestimmung als Ausdruck eines natürlichen Rechtsgrundsatzes (§ 7 ABGB), der nach § 879 ABGB die (Teil-)Nichtigkeit der Kündigungsfrist bewirkte. Um so mehr kann eine entsprechende Regelung zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe des nationalen Rechts herangezogen werden, wenn sie auch innerstaatlich schon anwendbar ist.
2.3.2. Die Entscheidung 9 Ob 2065/96h beruhte allerdings im Kern darauf, dass Art 5 Abs 2 Z 2 Kfz-GVO 1985 nicht bloß wettbewerbsrechtlichen Charakter hatte, sondern auch als Ausdruck eines angemessenen Ausgleichs zwischen den gegenläufigen Interessen von Lieferanten und Vertragshändlern gedeutet werden konnte. Die darin vorgesehene Kündigungsfrist sollte es den Händlern ermöglichen, sich innerhalb der Frist auf die neue Lage einzustellen, also das Warenlager zu verwerten und den Betrieb auf einen neuen Partner auszurichten (9 Ob 2065/96h).
Demgegenüber war das Interesse der Lieferanten an der grundsätzlich freien Auswahl ihrer Vertragspartner ohnehin dadurch gewährleistet, dass sie sich von der Vereinbarung durch ordentliche Kündigung auch ohne wichtigen Grund lösen konnten. Die im Anlassfall herangezogene Regelung der GVO war damit Ergebnis einer genuin zivilrechtlichen Interessenabwägung.
2.3.3. Demgegenüber hat das formale Begründungserfordernis in Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002 einen ausschließlich kartellrechtlichen Regelungszweck. Das ergibt sich sowohl aus Erwägungsgrund 9 der VO, wonach das Begründungserfordernis verhindern soll, dass ein Lieferant die Vereinbarung kündigt, weil der Händler ein wettbewerbsförderndes Verhalten setzt, als auch aus der ausdrücklich (nur) auf diesen Regelungszweck Bezug nehmenden Bestimmung selbst. Art 3 Abs 4 Kfz-GVO ist daher nicht Ausdruck eines allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatzes, sondern dient ausschließlich der Verhinderung wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen. Er hat daher keine Leitbildfunktion für die Konkretisierung der gröblichen Benachteiligung in § 879 Abs 3 ABGB. Hier ist vielmehr maßgebend, dass auf unbestimmte Zeit eingegangene Dauerschuldverhältnisse nach allgemeinem Zivilrecht im Regelfall auch ohne wichtigen Grund aufgelöst werden können (Rummel in Rummel3 § 859 Rz 27 mwN; aus der Rsp etwa 4 Ob 302/72 = SZ 45/20; 1 Ob 326/98t = ÖBA 1999/818; RIS-Justiz RS0018924). Zwar muss dem Händler eine ausreichende Frist für die Umstellung seines Geschäftsbetriebs zur Verfügung stehen (9 Ob 2065/96h) und allenfalls kann sich aus dem Zweck des Vertrags (3 Ob 103/08f mwN) oder aus anderen Gründen (unten 3.) ergeben, dass eine Kündigung nur bei Vorliegen sachlicher Gründe möglich ist. Die vertraglich vereinbarte Irrelevanz eines in einer GVO als Freistellungsvoraussetzung vorgesehenen Formerfordernisses ist demgegenüber noch nicht als gröblich benachteiligend iSv § 879 Abs 3 ABGB anzusehen.
3. Mit dem formalen Argument der fehlenden bzw mangelhaften Begründung dringt die Revision daher nicht durch. Sie zeigt aber zutreffend auf, dass die Kündigung nur wirksam ist, wenn sie inhaltlich auf sachlichen Gründen beruht.
3.1. Die Notwendigkeit des Vorliegens sachlicher Gründe könnte sich zum einen aus einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten ergeben.
3.1.1. Der Oberste Gerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass Alleinimporteure von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Marke marktbeherrschende Unternehmen iSv § 34 KartellG 1988 (nunmehr§4 KartellG 2005) seien (4 Ob 62/98s = ÖBl 1998, 256 -Servicegutscheine; 8 Ob 295/99m = ÖBl 2001, 272 - I-GmbH; 4 Ob 62/00x = ÖBl 2001, 137 - SAV). Diese pauschale Aussage hat er allerdings in 4 Ob 187/02g (= wbl 2003, 92 - Aufrechnungsverbot) nicht aufrecht erhalten. Vielmehr ist nach dieser Entscheidung - in Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts (16 Ok 9/01 = SZ 74/199 = ecolex 2002, 194 [Wollmann] = ÖBl 2002, 193 [Barbist] - W-Beteiligungsgesellschaft; RIS-Justiz RS0116046, RS0124671, RS0063539; zuletzt etwa 16 Ok 14/08 = OZK 2009, 119 [Pirko] - Radiusklausel II; Hoffer, Kartellgesetz [2007] 80 f) - im Einzelfall zu prüfen, in welchem Umfang der Vertragshändler auch Fahrzeuge anderer Hersteller vertrieben hat und ob er zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung zur Generalimporteurin angewiesen war.
3.1.2. Träfe das zu, so unterläge die Beklagte dem Missbrauchsverbot des § 5 KartellG 2005. Darunter fällt nach ständiger Rechtsprechung die Geschäftsverweigerung durch einen sachlich nicht gerechtfertigten Abbruch von geschäftlichen Beziehungen (16 Ok 22/97 = ÖBl 1998, 309 - Handy-Umtauschaktion; 16 Ok 12/03 = SWK 2004, 744; 16 Ok 23/04 = ecolex 2006, 590 - Penicillin G Sodium; Hoffer, Kartellgesetz [2007] 117; Vartian in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz 2005 [2007] § 5 Rz 74; vgl zum entsprechenden Problem in Art 82 EG-V Möschel in Immenga/Mestmäcker I/14, Art 82 EGV Rz 223 mwN zur Rsp des EuGH).
3.1.3. Fraglich ist allerdings, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen dies auch für einen Vertragshändlervertrag gilt, der einen Gebietsschutz vorsieht. Hier kann von vornherein kein Kontrahierungszwang bestehen, da es in einem bestimmten Gebiet nur einen Händler geben kann. Dieser Umstand hat den BGH veranlasst, die ordentliche Kündigung eines Vertragshändlervertrags im Regelfall ohne Vorliegen besonderer Gründe zuzulassen (BGH KZR 33/93 = GRUR 1995, 765 - Kfz-Vertragshändler; vgl dazu Karl, Kraftfahrzeugvertrieb und Europäisches Privatrecht [2005] 194 f). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, die Beendigung eines schon bestehenden Vertrags anders zu werten als dessen erstmaligen Abschluss (Hoffer, Kartellgesetz 117; Vartian in Petsche/Urlesberger/Vartian § 5 Rz 74; Möschel in Immenga/Mestmäcker I/14, Art 82 EGV Rz 224).
3.2. Diese Frage muss im vorliegenden Fall aber nicht abschließend beantwortet werden. Denn hier ergibt sich schon aus den Vereinbarungen selbst, dass die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom Vorliegen eines sachlichen (objektiven) Kündigungsgrundes abhängt.
3.2.1. Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002 ist zweifellos so zu verstehen, dass „objektive Gründe" nicht nur im Kündigungsschreiben anzugeben sind, sondern auch tatsächlich vorliegen müssen (Creutzig, EG-Gruppenfreistellungsverordnung [GVO] für den Kraftfahrzeugsektor [2003] Art 3 Rz 920; Veelken in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht I/14 [2007] Kfz-VO Rz 75). Denn eine andere Auslegung führte zum unhaltbaren Ergebnis, dass eine formal unangreifbare Begründung ohne Rücksicht auf ihre sachliche Richtigkeit zur Wirksamkeit der Kündigung führte.
3.2.2. Gleiches muss für die in Art 3 Abs 4 GVO 2002 zumindest teilweise nachgebildeten Kündigungsbestimmungen in den hier zu prüfenden Vereinbarungen gelten. Denn auch abgesehen vom strittigen letzten Satz kann vernünftigen Parteien nicht unterstellt werden, dass sie bei einer formal ordnungsgemäßen Kündigung eine Prüfung der darin angeführten Gründe ausschließen wollten. Dies gilt um so mehr, als beide Verträge unstrittig die Möglichkeit der Parteien vorsehen, „die Frage, ob eine Kündigung dieses Vertrages aufgrund der angegebenen Kündigungsgründe gerechtfertigt ist," durch einen „unabhängigen Sachverständigen" prüfen zu lassen; dies unbeschadet der Befugnis beider Parteien, das „zuständige nationale Gericht" anzurufen. Es ist nicht erkennbar, warum sich diese Prüfung auf rein formale Erwägungen beschränken sollte. Denn im Zweifel hat jene Auslegung den Vorzug, die eine wirksame und sinnvolle Anwendung der strittigen Bestimmung ermöglicht (RIS-Justiz RS0017787). Dieses Verständnis wird im konkreten Fall gerade durch den strittigen letzten Satz der Kündigungsbestimmungen bestärkt. Hängt die Wirksamkeit der Kündigung danach nicht von der Einhaltung der an sich vorgesehenen formalen Begründungspflicht ab, so muss sich die ebenfalls vorgesehene Prüfung durch einen Sachverständigen und das Gericht zwingend auf das tatsächliche Vorliegen von Kündigungsgründen beziehen. Denn sonst unterstellte man den Parteien, eine gänzlich folgenlose - und damit unwirksame und sinnlose (RIS-Justiz RS0017787) - Bestimmung geschaffen zu haben.
3.2.3. Aus den Kündigungsbestimmungen der beiden Verträge ergibt sich daher, dass eine ordentliche Kündigung nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam ist. Damit besteht zumindest in diesem Punkt Übereinstimmung mit der Freistellungsvoraussetzung in Art 3 Abs 4 GVO 2002. Eine Abweichung liegt allenfalls darin, dass die Wirksamkeit der Kündigung nach den hier anwendbaren Vertragsklauseln nicht vom Anführen der Gründe im Kündigungsschreiben abhängig ist; es genügt, sie im Streitfall nachzuschieben (vgl zur insofern nicht einheitlichen Auslegung von Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002 Polley in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht [Loseblatt, Lieferung Jänner 2007] Art 3 VO Rz 397 mwN in FN 3).
3.2.4. Schon aufgrund systematischer Erwägungen müssen die für eine ordentliche Kündigung erforderlichen sachlichen Gründe allerdings nicht so schwer wiegen, dass auch eine außerordentliche (fristlose) Kündigung berechtigt wäre. Vielmehr genügt es, dass die Kündigung auf einem objektiv nachvollziehbaren und von der Rechtsordnung nicht verpönten Grund beruht.
Sollte die Kündigung daher im vorliegenden Fall tatsächlich - wie von der Klägerin behauptet - bloß aus „emotionalen Gründen" erfolgt sein, so wäre sie von der (richtig verstandenen) Kündigungsbestimmung der Verträge nicht gedeckt. Gleiches würde nach der Zielsetzung des Art 3 Abs 4 Kfz-GVO 2002, die hier wegen ihrer ausdrücklichen Erwähnung in den Vertragsbestimmungen jedenfalls maßgebend ist, auch dann gelten, wenn die Kündigung in Wahrheit die Sanktion für erlaubtes wettbewerbsförderndes Verhalten der Klägerin gewesen wäre. Hingegen läge ein sachlicher Grund vor, wenn die Klägerin einen Vertrauensbruch begangen oder systematisch unrichtige Verkaufsmeldungen erstattet hätte, oder wenn sie ohne sachliche Rechtfertigung eine wesentliche Bevorzugung gegenüber anderen Vertragshändlern der Beklagten angestrebt und so deren Vertriebssystem gestört hätte.
Ob das zutrifft, kann derzeit mangels entsprechender Feststellungen nicht beurteilt werden.
4. Diese Erwägungen führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen. Das Erstgericht wird nach Erörterung der Sach- und Rechtslage Beweise zur sachlichen Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung aufzunehmen und entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Hat die Kündigung danach unsachliche („emotionale"), ausdrücklich verpönte oder überhaupt keine nachvollziehbaren Gründe, so wäre sie unwirksam. Dies führte nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens zum Erfolg des Klagebegehrens. Denn die Beklagte behauptet nicht, dass und aus welchen Gründen der in der Vertriebsvereinbarung vorgesehene Gebietsschutz unwirksam wäre. Ist die Kündigung demgegenüber wirksam, so wären Haupt- und Eventualbegehren abzuweisen.