Ausgleichsanspruch – Händler und Importeur bekommen nicht recht

Samstag, 25. November 2011

Der Ausgleichsanspruch ist ein „Musterbeispiel für eine vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung“, so der Oberste Gerichtshof (OGH) in einer jüngst ergangenen Entscheidung. Ein KFZ-Vertragshändler (Klägerin) hat seinen Ausgleichsanspruch gerichtlich geltend gemacht. Die Sache landete vor dem Oberlandesgericht Wien, das dem Händler offenbar Teile des Anspruches zugestand. Gegen diese Entscheidung wendeten sich Händler und Importeur (Beklagter) jeweils mit einer außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof, der zu 7 Ob 182/11g, der am 12.10.2011 an über beide Rechtsmittel entschieden hat und letztlich beiden nicht gefolgt ist.

Dem Einwand des Importeurs, dass zur Berechnung der Deckungsbeitrag III und nicht der Deckungsbeitrag I (Umsatzerlös abzüglich variable Kosten) heranzuziehen sei, folgte das Höchstgericht mit dem Argument nicht, dass die Berechnung der dem Kfz Vertragshändler analog § 24 HVertrG zustehenden Entschädigung von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist.

Der Händler machte (jedenfalls zum Teil) einen Ausgleichsanspruch für das Ersatzteilgeschäft geltend. Der OGH verwies auf seine ständige Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch im Ersatzteilgeschäft. Den Ausnahmefall, dass nämlich der Ersatzteilverkauf erheblich über den Eigenbedarf für die Werkstatt hinausging und zudem für den Verkauf werblicher Aufwand betrieben wurde, sah er nicht vorliegend.

Aus der Entscheidung:

Zur außerordentlichen Revision der Beklagten (Importeur):
Die Behauptung, die von der Beklagten zum 1. 10. 2003 erklärte Kündigung hätte zu keiner Verschlechterung der Stellung der Klägerin geführt, bezieht sich auf die erstgerichtliche Feststellung, dass dem Nachteil des Wegfalls des Gebietsschutzes der Vorteil der Möglichkeit der Ausweitung des eigenen Vertriebsgebiets gegenübergestanden sei. Dieser mögliche Vorteil kann allerdings nichts daran ändern, dass von der Beklagten eine Veränderung der vertraglichen Grundlagen verlangt wurde und für den Fall, dass die Klägerin zu einer entsprechenden Vertragsänderung nicht bereit ist, die Kündigung des Händlervertrags ausgesprochen worden ist. Nach der am 1. 10. 2002 in Kraft getretenen Kfz GVO kann der Kfz Hersteller/Zwischenhändler zwischen einem sogenannten exklusiven und einem sogenannten selektiven Vertriebssystem wählen, während nach der Kfz GVO von 1995 allein ein exklusives Vertriebssystem vom Kartellverbot des Art 81 EG Vertrag freigestellt war. Die Beklagte hat selbst vorgebracht, nun das selektive System gewählt zu haben. An ihr lag es daher, wenn die Verträge dem neuen System anzupassen waren. Damit liegt auf der Hand, dass keiner der Ausschlussgründe des § 24 Abs 3 HVertrG verwirklicht wurde und der Klägerin insbesondere kein Verschulden an der Vertragsauflösung angelastet werden kann. Es trifft zwar zu, dass bislang kein gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof zu beurteilen war. Nach der gegebenen Sachlage kann aber die Judikatur zur Kündigung des Kfz Vertragshändlers durch den Hersteller/Zwischenhändler (hier die Beklagte als Generalimporteur) auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden.

Dass die Vorinstanzen einen Ausgleichsanspruch der Klägerin unter den gegebenen Prämissen grundsätzlich bejaht haben, steht damit im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur, die einen Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers analog § 24 HVertrG einhellig bejaht.

Der Einwand, zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs wäre nicht der Deckungsbeitrag I, sondern der Deckungsbeitrag III heranzuziehen und somit wären alle Fixkosten der Produktgruppe zu berücksichtigen gewesen, übersieht, dass die Berechnung der dem Kfz Vertragshändler analog § 24 HVertrG zustehenden Entschädigung von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist. Der Ausgleichsbetrag lässt sich nicht aus einer einfachen Provisionsberechnung ermitteln. Vielmehr muss nach ständiger Rechtsprechung darauf abgestellt werden, inwieweit die dem Kfz Vertragshändler zustehende Handelsspanne die Werterhöhung des Unternehmens des Herstellers/Zwischenhändlers (hier die Beklagte als Generalimporteur) durch die Überlassung des Kundenstamms deckt oder nicht (vgl RIS Justiz RS0114266; RS0062645). Ausgangspunkt für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist die Handelsspanne des Vertragshändlers zuzüglich allfälliger auf die Vermittlungstätigkeit zurückzuführenden Sondervergütungen zur Berechnung der Höhe. Davon sind jene Vergütungen abzuziehen, die der Vertragshändler für Leistungen erhält, die er typischerweise nicht erbringt. Mindernd zu berücksichtigen ist auch die größere oder geringere Sogwirkung der Marke sowie das Abwanderungsrisiko der zugeführten Kundenschaft, weil als zum Ausgleich verpflichtendes Element nur solche erheblichen Vorteile auf Seiten des Herstellers/ Zwischenhändlers anzusehen sind, die auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zum Händler fortdauern. Der Sogwirkung einer Marke als anspruchsmindernder Faktor kommt dabei besonders in der Automobilbranche eine erhebliche Bedeutung zu; sie ist im Rahmen der Billigkeitserwägungen angemessen zu berücksichtigen. Insgesamt gestaltet sich die Bestimmung der Höhe der nach Billigkeit gebührenden Ausgleichszahlung schwierig. Wegen der notwendigerweise an den Besonderheiten des Einzelfalls auszurichtenden Ermittlung des Anspruchs ist für pauschale Berechnungsweisen oder die Ermittlung der Höhe des Anspruchs nach festen Formeln grundsätzlich kein Raum (4 Ob 54/02y mwN). Zufolge der erwähnten Einzelfallbezogenheit der nach Billigkeit festzusetzenden Ausgleichszahlung liegt, worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, ein „Musterbeispiel“ für eine vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung vor (RIS Justiz RS0112590). Ein Zulassungsgrund ist in diesem Zusammenhang daher nur dann gegeben, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterläuft, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Das ist hier nicht der Fall.

Eine Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens wird von der Beklagten darin erblickt, dass das Berufungsgericht nicht näher begründet habe, warum der Ausgleichsanspruch aus dem Rohertrag zu berechnen sei. Da die vom Berufungsgericht gewählte Berechnungsart der oberstgerichtlichen Judikatur zur Bemessung des Ausgleichsanspruchs des Kfz Vertragshändlers folgt (vgl 9 Ob 2065/96h; 8 Ob 74/00s; 7 Ob 161/00b ua), liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.

Schließlich ist auch der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nicht gegeben. Zwar hat die Beklagte schon im erstinstanzlichen Verfahren auf § 22 des Regionalhändlervertrags Bezug genommen, der eine sogenannte Salvatorische Klausel enthält. Daraus lässt sich aber entgegen der Ansicht der Beklagten nicht der Schluss ziehen, dass diese den Vertrag mit der Klägerin nicht aufgekündigt habe. Für den Prozessstandpunkt der Beklagten ist daher daraus nichts zu gewinnen.

Insgesamt zeigt die Beklagte keinen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels auf.

Zur außerordentlichen Revision der Klägerin (Vertragshändler):
Die Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs stellt eine   einzelfallbezogene   Ermessens  bzw Billigkeitsentscheidung dar (RIS Justiz RS0112590). Zufolge der Einzelfallbezogenheit liegt eine erhebliche Rechtsfrage daher nur dann vor, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterläuft, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden muss. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Die Vorinstanzen haben die wesentlichen Kriterien für die Bestimmung der Höhe der nach Billigkeit gebührenden Ausgleichszahlung festgestellt. Die Berechnung ist   wie bereits dargelegt   jedenfalls in einer Weise von den Umständen des Einzelfalls abhängig, dass sich etwa allgemein gültige Prozentsätze für die einzelnen als anspruchsmindernd zu berücksichtigenden Faktoren nicht festsetzen lassen (ecolex 2011, 119). Die Ansicht der Vorinstanzen, nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls sei ein Billigkeitsabschlag beim Neuwagengeschäft von 50 % vorzunehmen, ist im Hinblick auf die fallspezifisch vom Berufungsgericht zutreffend berücksichtigten Faktoren jedenfalls vertretbar.

Nach ständiger Rechtsprechung ist beim Ersatzteilgeschäft eines Kfz Vertragshändlers als bloßes Nebenprodukt des Werkstättenbetriebs regelmäßig nicht zu erwarten, dass der Unternehmer auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses mit einem in sein Werkstättennetz eingegliederten Händler erhebliche Vorteile im Sinn des § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG ziehen kann, weshalb dieser Geschäftsbereich in die Berechnung eines Ausgleichsanspruchs nach § 24 HVertrG nicht einzubeziehen ist (RIS Justiz RS0113117; RS0112214). Der Ausnahmefall, dass nämlich der Ersatzteilverkauf erheblich über den Eigenbedarf für die Werkstatt hinausging und zudem für den Verkauf werblicher Aufwand betrieben wurde (8 Ob 74/00s), liegt im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der Klägerin gerade nicht vor. Ein sekundärer Feststellungsmangel oder eine Aktenwidrigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen. Vielmehr versucht die Klägerin mit den betreffenden Ausführungen, unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen.

Insgesamt zeigt auch die Klägerin keinen tauglichen Grund für die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision auf.

Demnach sind beide außerordentliche Revisionen mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.