Kündigungsgrund aus Händlervertrag kann auf Werkstattvertrag durchschlagen

Donnerstag, 21. August 2013

Im Zuge einer Streitigkeit um die Rechtmäßigkeit einer Kündigung von Händlervetrag und Werkstattvertrag durch den Importeur hat der OGH entschieden, dass ein Kündigungsgrund aus dem Händlervertrag auf den Werkstattvertrag durchschlagen kann. Zudem ist es zulässig, dass Händler und Importeur Kündigungszeiten einvernehmlich verändern, ohne dass dies eine Auswirkung auf die Kündigung selbst hat (OGH vom 19.06.2013, 3Ob33/13v)

Sachverhalt: Händler im Streit im Importeur über Kündigung

Die klagende Partei betreibt in Wien ein bekanntes Autohaus. Die beklagte Partei ist Importeurin für Kraftfahrzeuge einer bestimmten Marke. Die Parteien haben mit Geltung ab 1. Oktober 2003 einen Händlervertrag und einen Werkstattvertrag abgeschlossen. Die beklagte Partei hat den Händlervertrag mit Schreiben vom 9. April 2008 auf 30. April 2009, in eventu auf 30. April 2010 gekündigt. Im Zuge von Vergleichsgesprächen wurde das Ende der Kündigungsfrist von den Vertragsparteien sukzessive bis letztlich 15. Jänner 2012 hinausgeschoben.

Klage des Händlers gegen den Importeur vor dem Handelsgericht Wien

Im März 2010 brachte der Händler eine Klage gegen den Importeur ein. Der Händler begehrte ursprünglich die Feststellung, dass die Kündigung vom 9. April 2008 unwirksam sei und das Vertragsverhältnis jedenfalls nicht zum 30. April 2010 ende.  Im Rahmen einer Erörterung vor dem Erstgericht stellte die klagende Partei klar, dass das Klagebegehren sinngemäß auf die Feststellung des aufrechten Bestands des Vertragshändlervertrags und des Werkstattvertrags gerichtet sei, und stellte ergänzende Feststellungsbegehren.

Das Handelsgericht Wien hat mit seinem Urteil vom 24. Juli 2012 das Feststellungsbegehren des aufrechten Bestands des Händlervertrags und des Werkstättenvertrags (in Punkt 4. des Ersturteils) abgewiesen und weiters im Sinne des ergänzten Klagebegehrens festgestellt, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen jedenfalls nicht zum 30. April 2010 geendet habe und jedenfalls bis zum 15. Juni 2010 aufrecht gewesen sei.

Berufung an Oberlandesgericht Wien

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und änderte infolge Berufung der beklagten Partei das Ersturteil dahin ab, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wurde. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und legte der rechtlichen Beurteilung zugrunde, dass unter Zugrundelegung von Art 3 Abs 4 der Kfz GVO Nr 1400/2002 ein sachlicher Grund für die Kündigung beider Verträge (Händlervertrag und Servicevertrag) bestanden habe.

Der Händler habe ohne sachliche Rechtfertigung eine wesentliche Bevorzugung gegenüber anderen Vertragshändlern des Importeurs angestrebt und so dessen Vertriebssystem empfindlich gestört. Konkret war das die die Behauptung des Händlers der tatsächlich nicht bestehenden Zusage, nur einer von drei Händlern der Kfz-Marke in Wien zu sein, und die darauf gestützte Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen (ua im Wege der Aufrechnung mit Zahlungsansprüchen des Importeurs)

Außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof

Gegen das Urteil des OLG Wien ging der Händler mit außerordentlicher Revision vor, die vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen wurde, wobei das Höchstgericht argumentierte wie folgt:

Da der aufrechte Bestand der Verträge zum 30. April 2011 bzw bis zum 15. Juni 2010 von der beklagten Partei nicht bestritten werde, fehle es am rechtlichen Interesse an einer entsprechenden gerichtlichen Feststellung.

Zutreffend weist die klagende Partei darauf hin, dass es im vorliegenden Fall im Wesentlichen um den Inhalt der beiden zwischen den Parteien geschlossenen Verträge (Händlervertrag und Werkstattvertrag) geht. Die Frage, welche Vertragsinhalte einer einzelnen vertraglichen Beziehung zugrunde liegen, begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0042936, RS0044358 ua).

Ein unvertretbares Auslegungsergebnis, das vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre, liegt nicht vor. Der Händlervertrag wurde laut seiner Präambel „auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr 1400/2002 der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 31. Juli 2002 geschlossen". Zum einen kann daraus nicht abgeleitet werden, dass der gesamte Inhalt der Kfz GVO in den Händlervertrag übernommen wird. Zum anderen fehlt es den Regelungen in Gruppenfreistellungsverordnungen selbst an unmittelbaren und zwingenden zivilrechtlichen Wirkungen (ausführliche Nachweise in 4 Ob 119/09t = ÖBl 2010/37, 193 [Barbist]), sodass aus der allgemeinen Bezugnahme der Vertragsparteien nicht darauf geschlossen werden kann, dass zivilrechtliche Regelungen für die Geltung zwischen den Vertragsparteien geschaffen werden sollten.

Schließlich hat das Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt, dass der Kündigung beider Verträge im Sinne des Art 3 Abs 4 der Kfz GVO ein sachlicher Grund („objektiv und transparent") zugrunde liegt, der zwar im Wesentlichen aus dem Händlervertrag stammt; es ist aber nicht unvertretbar, dass dieser Grund in der konkret gegebenen Situation auch sachlich auf den Werkstattvertrag durchschlägt (vgl 4 Ob 73/12g = ÖBl LS 2012/75, 254 unrichtige Verkaufsmeldungen).

Nach den Feststellungen haben die Parteien im Hinblick auf die laufenden Vergleichsverhandlungen immer wieder Sistierungsvereinbarungen verlängert und das Ende der Kündigungsfrist einvernehmlich auf einen späteren Zeitpunkt verlegt (zuletzt Beilage ./L: „Die Kündigungstermine des Händler und Werkstättenvertrags werden einvernehmlich auf den 15. 01. 2012 verlegt."). An diese Feststellungen über die getroffenen Vereinbarungen ist der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, gebunden. Kündigungszeiten können von den Vertragsparteien einvernehmlich verändert werden, ohne dass dies eine Auswirkung auf die Kündigung selbst hätte (vgl etwa RIS Justiz RS0028544 zur einvernehmlichen Verkürzung der Kündigungsfrist). Eine unvertretbare Urkundenauslegung vermag die Revisionswerberin nicht darzulegen.

Damit spielt aber die Frage der Hemmung der Kündigungsfrist durch Vergleichsgespräche für die Frage, ob der Händlervertrag und/oder der Werkstattvertrag noch aufrecht sind, keine Rolle mehr. Anhaltspunkte dafür, dass Vergleichsgespräche generell auch den Lauf von Kündigungsfristen hemmen müssten, gibt es nicht; eine an sich wirksame Kündigungserklärung wird allein durch nachfolgende Vergleichsgespräche ja nicht mehr beseitigt. Mit der Festlegung des Kündigungstermins wird zwingend auch die Länge der Kündigungsfrist bestimmt.