Wirtschaftlicher Totalschaden – Abwicklung in der Versicherung

Mittwoch, 29. März 2016

Nach Verkehrsunfällen wird oftmals ein sogenannter Totalschaden diagnostiziert. Gerade in der Versicherungsabwicklung kommt dieser Einstufung große Bedeutung zu. Dabei ist die Totalschadenabwicklung bei Haftpflichtversicherung und Kaskoversicherung zu unterscheiden.

Totalschaden in der Haftpflichtversicherung

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden hat nach dem Gesetz (ABGB) Anspruch auf Reparaturkostenersatz, falls eine Reparatur möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Anders ist das, wenn ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt, also die Reparaturkosten den Zeitwert des KFZ im Unfallzeitpunkt übersteigen. Praktisch führt dies vielfach dazu, dass Kraftfahrzeuge nicht repariert werden, sondern über Wrackbörsen als Havarie ins Ausland verkauft werden. Der Eigentümer erhält den Erlös aus dem Verkauf der Havarie und eine Aufzahlung der Versicherung auf den Zeitwert. Für die Frage, ab wann ein Totalschaden vorliegt, existiert kein starrer Prozentsatz. Vielmehr zählt der Einzelfall (8 Ob 197/76). Eine mäßige, wirtschaftlich vertretbare Zeitwertüberschreitung durch Reparatur ist jedenfalls unschädlich (8 Ob 124/74). Der Oberste Gerichtshof hat bereits Zeitwertüberschreitungen bis rund 10 % akzeptiert (2 Ob 162/06x). In der Praxis wird teilweise auch mehr anerkannt.

Konkreter Fall - Berechnungsbeispiel

totalschaden-haftpflichtversicherung-kaskoversicheUm die Abwicklung zur veranschaulichen, ist es notwendig, reale Zahlen darzustellen, wie etwa den Fall von Frau Susanne. Sie hatte Ende 2015 einen Verkehrsunfall mit reinem Sachschaden (Heck links) an ihrem Skoda Oktavia, 81 kW, Diesel, 200 tkm, EZL 08/99. Die gegnerische Haftpflichtversicherung schätzte den Zeitwert des Skoda auf EUR 1.350,00 und erhob über die Wrackbörse einen Wrackwert von EUR 660,00. Die Reparaturkosten wurden mit EUR 4.014,96 (4 Arbeitstage + Material) bemessen. Frau Susanne gab sich damit nicht zufrieden. Die Versicherung ging von einer Zeitwertüberschreitung von rund 200 % und damit von einem Totalschaden aus. Sie stimmte der Reparatur nicht zu. Frau Susanne liebt ihr Auto. Sie wollte den Schaden bei einer Fachwerkstätte reparieren lassen. Ein von ihr privat eingeholtes Gutachten ergab einen Zeitwert des Oktavia von EUR 1.750,00 bei Reparaturkosten von EUR 1.800,00 (zwei konkrete Angebote von Werkstätten in Wien). Rechnerisch ergibt dies eine Überschreitung des Zeitwertes um rund 3 %, der von der Rechtsprechung toleriert wird. Dieses Beispiel macht klar, dass es in Haftpflichtfällen jedenfalls lohnt, die Zahlen der Versicherung nachzuprüfen.

Totalschaden in der Kaskoversicherung

Die Kaskoversicherung ist – anders als die Haftpflichtversicherung – gesetzlich nicht verpflichtend. Sie basiert auf einem Vertrag zwischen Versicherer und Halter. Darin wird auch definiert, wann ein Totalschaden vorliegt. In einem 2011 (7 Ob 216/11g) entschiedenen Fall wurden Kaskobedingungen geprüft, die ihn wie folgt regelten:

„Ein Totalschaden liegt vor, wenn […] die voraussichtlichen Kosten der Wiederherstellung zuzüglich der Restwerte den […] Wiederbeschaffungswert übersteigen.“

Der Oberste Gerichtshof sah die Klausel als zulässig an. Müsste sich Frau Susanne aus dem obigen Beispiel an eine Kaskoversicherung halten, die die genannten Klauseln verwendet, könnte sie nicht reparieren lassen. Anzumerken bleibt, dass Kaskoversicherungsverträge von Versicherung zu Versicherung nicht ident sind. Der Halter eines KFZ kann damit mit kluger Wahl der Versicherung seines eigenen Glückes Schmied werden kann, zumal es Kaskoversicherer gibt, die eine Totalschadenreparatur bis 100% des Zeitwertes anbieten.

Rechtsanwalt

Dr. Johannes Öhlböck LL.M.

Rechtsanwalt
[T] +43-1-505 49 59
www.raoe.at
office@raoe.at