Ausgleichsanspruch für Versicherungsvertreter

Samstag, 12. Oktober 2007

Die Regeln über den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters sind im Verhältnis zwischen Versicherer selbständiger Versicherungsvertreter analog anzuwenden (OGH, 23.11.06, 8 ObA 65/06).  Damit wird die neuere Rechtsprechung bestätigt. Anzumerken ist, dass seit 01.07.2006 einzelne Bestimmungen des HVertrG direkte Anwendung auf die Vermittlung und den Abschluss von Versicherungsverträgen durch Versicherungsvertreter (Versicherungsagenten) finden.

Aus dem Sachverhalt:
Der Unternehmensgegenstand der Beklagten umfasst die Vermittlung von Versicherungsverträgen einschließlich fondsgebundener Lebensversicherungen und die Beratung in Versicherungsangelegenheiten, die Vermittlung von Finanzierungen einschließlich der Vermittlung von Personal- und Hypothekarkrediten, Leasingverträgen und Bausparverträgen, die Vermittlung von Wertpapieren, Anteilen an in- und ausländischen Kapitalanlagefonds und Veranlagungen, die Vermittlung der Vermögensverwaltung und die Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen. Im Zuge dieser Tätigkeiten vertreibt die Beklagte die Produkte ihrer Partnergesellschaften. Zu diesen Partnergesellschaften zählen unter anderem Versicherungsgesellschaften, Banken, Investmentfonds, Leasingunternehmen und Bausparkassen. Die Beklagte steht mit über 100 Partnergesellschaften in Form von "Partnerverträgen" in Geschäftsverbindung. Für ihre Vermittlerrolle zwischen Kunden und Partnergesellschaften als Produktgeber erhält die Beklagte die mit den einzelnen Partnern vereinbarten Provisionen.

Zur Erfüllung ihrer Geschäfte bedient sich die Beklagte sogenannter Agenten. Die Tätigkeit der Agenten bei der Vermittlung von Verträgen gliedert sich in zwei Phasen. Die erste Phase ist mit einer Bestanderhebung verbunden. Es wird erhoben, in welchen Vertragsbeziehungen der Kunde bereits steht und wie seine Bedürfnisse gestaltet sind. Mit dem jeweiligen Kunden wird dazu ein sogenannter Analysebogen zur Erhebung wichtiger Daten ausgefüllt. Stellt sich in dieser Phase heraus, dass der Kunde allenfalls Bedarf am Abschluss von Versicherungsverträgen oder einer Veranlagungsmöglichkeit hat, schlägt der Agent dem Kunden in der weiteren Phase ein Produkt eines Partnerunternehmens der Beklagten vor. Dabei nennt der Agent dem Kunden gegenüber auch das Partnerunternehmen. Entscheidet sich der Kunde zum Abschluss eines Vertrages, unterfertigt er einen vom Agenten vorbereiteten Antrag an das entsprechende Partnerunternehmen. Der Kläger begehrt zuletzt 36.000 EUR. Auf den Agentenvertrag sei das HVertrG anzuwenden.

Aus der Begründung:
Zunächst teilt der OGH die Auffassung des Berufungsgerichtes über die Anwendbarkeit des HVertrG auf das Vertragsverhältnis und führt detailliert dazu aus. Handelsvertreter nach § 1 Abs 1 HVertrG - und nach der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 84 Abs 1 dHGB - ist somit nicht nur der Warenvertreter, sondern auch derjenige, der mit der Vermittlung oder dem Abschluss anderer Geschäfte ständig betraut ist.

Allerdings bejaht die neuere Rechtsprechung des OGH unter Berufung auf Schima (Buntgemischtes aus dem neuen HVertrG, ecolex 1993, 227) die analoge Anwendung von Bestimmungen des HVertrG auf das Verhältnis Versicherer - selbständiger Versicherungsvertreter (SZ 2002/122 zu § 25 HVertrG; SZ 2002/172 zum Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG).

Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der Senat nicht veranlasst. Eine nähere Auseinandersetzung damit, ob der Kläger im Rahmen seines Agentenverhältnisses zur Beklagten überwiegend Versicherungsverträge oder überwiegend die übrigen Finanzdienstleistungsprodukte vermittelte, deren Vermittlung nach der Definition in § 1 Abs 1 HVertrG jedenfalls unter das Gesetz fällt, kann daher unterbleiben. Aber auch, dass die Beklagte ihrerseits nicht bloß Produkte für ein einziges Unternehmen vermittelt, sondern Vertragspartner mehrerer "Partnergesellschaften" ist, schadet nicht: Die Feststellungen lassen mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass nicht nur der Kläger von der Beklagten "ständig betraut" im Sinne des § 1 HVertrG war, sondern auch, dass die Beklagte ihrerseits in einer ständigen Geschäftsbeziehung zu ihren Partnergesellschaften.

Dass eine Anwendung des § 24 HVertrG auf das Rechtsverhältnis deshalb nicht geboten sei, weil nach der Art der vermittelten Geschäfte kein dauernder Vorteil für die Beklagte durch die Vermittlungstätigkeit des Klägers zu erwarten sei, betrifft in Wahrheit die Höhe des Ausgleichsanspruches nach § 24 HVertrG, der eben nur dann und soweit gebührt, als der Handelsvertreter dem Unternehmen neue Kunden zuführte oder bereits bestehende Geschäftsbeziehungen wesentlich erweiterte, wenn überdies zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Aufhebung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann und überdies die Gewährung eines Ausgleichsanspruches der Billigkeit entspricht (§ 24 Abs 1 HVertrG).

Anmerkung: Seit 01.07.2006 finden einzelne Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes direkte Anwendung auf die Vermittlung und den Abschluss von Versicherungsverträgen durch Versicherungsvertreter (Versicherungsagenten) (vgl §§ 26b bis 26d HVertrG). OGH, 23.11.06, 8 ObA 65/06