KFZ-GVO neu - Garantie und Gewährleistung

Donnerstag, 07. Juli 2010

Darf man sich die Werkstätte frei aussuchen? Vielfach tritt nach Inkrafttreten der neuen KFZ-GVO (461/2010) die Frage auf, ob Wartungsarbeiten und Servicearbeiten zwingend bei einer Vertragswerkstätte des Herstellers / Importeurs des gekauften Fahrzeuges durchgeführt werden müssen oder aber eine Werkstätte nach Wahl etwa eine Vertragswerkstätte einer Fremdmarke oder eine freie Werkstätte damit befasst werden kann. Damit verbunden ist vielfach die Frage ob Ansprüche aus Garantie oder Gewährleistung verloren gehen, wenn eine Drittwerkstätte die Arbeiten durchführt.

Die KFZ-GVO neu (461/2010) ist seit 1. Juni 2010 in Kraft und gilt bis 31. Mai 2023.

Art 5 der VO 461/2010 neu sieht Kernbeschränkungen vor. Findet sich eine dieser Kernbeschränkungen in einem Vertrag der Bedingungen betrifft, unter denen die beteiligten Unternehmen Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Kraftfahrzeuge erbringen dürfen, fällt dieser unter das Kartellverbot des Art 101 Abs 3 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union).

Art 5 lit a VO 461/2010 sieht als Kernbeschränkung vor

„Die Freistellung nach Artikel 4 gilt nicht für vertikale Vereinbarungen, die unmittelbar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen unter der Kontrolle der beteiligten Unternehmen Folgendes bezwecken:

a) die Beschränkung des Verkaufs von Kraftfahrzeugersatzteilen durch Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems an unabhängige Werkstätten, welche diese Teile für die Instandsetzung und Wartung eines Kraftfahrzeugs verwenden;"

Dies bedeutet mit anderen Worten, dass die Beschränkung des Verkaufs von Ersatzteilen durch autorisierte Werkstätten an unabhängige Werkstätten, welche diese Teile für die Instandsetzung und Wartung eines Kraftfahrzeugs verwenden, nicht zulässig ist.

Darüber hinaus enthält die VO 461/2010 keine Regelungen über die Durchführung von Arbeiten im Rahmen von Garantie oder Gewährleistung.

Allerdings finden sich in den Leitlinien zur VO 461/2010 Regelungen zu derartigen Arbeiten. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Leitlinien nicht verbindlich sind, sondern lediglich Grundsätze aufzeigen, die für die Beurteilung spezifischer Fragen maßgeblich sind.

Darin stellt die Kommission klar, dass der Kunde während der Garantie-/Gewährleistungszeit die Möglichkeit haben muss, Wartungen und Instandsetzungsarbeiten an seinem Fahrzeug freien Werkstätten durchführen zu lassen. Er kann nicht verpflichtet werden, derartige Arbeiten bei einer Vertragswerkstätte durchführen zu lassen. „Normale" Wartungs- und Reparaturarbeiten ausserhalb von Garantie und Gewährleistung (zB Ölwechsel, wiederkehrendes Service, Arbeiten im Zuge der Pickerl-Überprüfung, usw) dürfen damit während laufender Garantie bzw innerhalb der Gewährleistungsfrist bei jeder Werkstatt in Auftrag geben. Arbeiten aus Garantie und Gewährleistung und Arbeiten aufgrund von Rückrufaktionen müssen aber in der vertragsgebundenen Werkstatt durchgeführt werden.

Aus den Leitlinien zu VO 461/2010 ergibt sich weiters, dass keine Werkstätte verpflichtet werden darf, Originalersatzteile für „normale" Wartungs- und/oder Instandsetzungsarbeiten verwenden darf, die während des Garantiezeitraums anfallen, aber nicht unter die Garantie fallen. Bei Arbeiten, die im Rahmen von Garantie oder Gewährleistung erbracht werden, kann der Hersteller / Importeur allerdings verlangen, dass ausschließlich von ihm gelieferte Ersatzteile zu verwenden sind.

Es wäre jedoch zulässig, dass eine Vertragswerkstätte bzw ein Hersteller / Importeur die Erfüllung von Forderungen aus Gewährleistung und/oder Garantie ablehnt, wenn die Situation, die zu dieser Forderung geführt hat, in ursächlichem Zusammenhang damit steht, dass eine (andere) Werkstatt Arbeiten im Rahmen von Instandsetzung oder Wartung nicht korrekt ausgeführt oder minderwertige Ersatzteile verwendet. Diesbezüglich müsste jedoch nachgewiesen werden, dass inkorrekt gehandelt wurde.

Zu berücksichtigen ist, dass die deutschsprachige Ausgabe der Leitlinien dieses Thema unter dem Titel "Missbrauch von Gewährleistungen" abhandelt. Im Text werden die Worte „gesetzliche oder erweiterte Gewährleistungspflicht des Herstellers" verwendet. Blickt man in die englischsprachige Version der Leitlinien liest man als Pendant „Misuse of warranties" und im Text ist von „manufacturer´s warranty ... whether legal or extended" die Rede. Das englische Wort „warranty" kann mit Garantie und Gewährleistung übersetzt werden, sodass dadurch und durch den Hinweis auf die „erweiterte Gewährleistung" respektive das Wort „extended" indiziert wird, dass auch Arbeiten aus rechtsgeschäftlicher Garantie darunter fallen sollen.

Rechtsanwalt

Dr. Johannes Öhlböck LL.M.

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