Die Europäische Kommission hat am 27. Mai 2010 überarbeitete Wettbewerbsvorschriften in Form einer Gruppenfreistellungsverordnung (VO 461/2010) für Vereinbarungen zwischen Kfz-Herstellern und deren zugelassenen Händlern, Werkstätten und Ersatzteilanbietern angenommen. Die neuen Regeln werden den Wettbewerb auf dem Markt für Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen stärken, denn der Zugang zu erforderlichen Reparaturinformationen und die Verwendung alternativer Ersatzteile werden erleichtert. Auf der Grundlage der überarbeiteten Regeln kann die Kommission wirksam gegen Kfz‑Hersteller vorgehen, die verlangen, dass Kraftfahrzeuge nur in von ihnen zugelassenen Werkstätten gewartet werden, und damit ihrer Gewährleistungspflicht nicht ordnungsgemäß nachkommen. Die neuen Regeln werden auch zu einer Verringerung der Vertriebskosten für Neufahrzeuge beitragen, da allzu restriktive Bestimmungen nicht beibehalten werden.
Den neuen Regeln zufolge kommen Vereinbarungen zwischen Kfz-Herstellern und zugelassenen Werkstätten nur noch dann für die Gruppenfreistellung in Betracht, wenn keines der beteiligten Unternehmen einen Marktanteil von mehr als 30 % hat. Es gelten die Regeln der Vertikal-GVO (VO 330/2010, auch Schirm-GVO genannt. Die neuen Regeln treten in Bezug auf die Märkte für Reparatur- und Wartungsdienstleistungen am 1. Juni 2010 in Kraft bzw. in Bezug auf die Märkte für den Kfz-Verkauf am 1. Juni 2013. Sie gelten bis zum 31. Mai 2023.
Durch die neuen Regeln wird der Zugang von Werkstätten zu alternativen Ersatzteilen verbessert. Dies ist insofern wichtig, als Ersatzteile einen erheblichen Teil der Reparaturkosten ausmachen können.
Wartungsleistungen wie beispielsweise Ölwechsel können durch die GVO neu auch in freien Werkstätten durchgeführt werden. Gleichwohl bleibt es Kfz‑Herstellern unbenommen zu verlangen, dass unter die Gewährleistung fallende Reparaturen, für die sie selbst aufkommen müssen, nur von Vertragswerkstätten vorgenommen werden.
All dies ist für die Verbraucher von Interesse, da auf Reparaturen schätzungsweise 40 % der Gesamtkosten der Fahrzeughaltung entfallen und diese Kosten in den letzten Jahren gestiegen sind.
Im Hinblick auf den Kfz-Vertrieb hat die Kommission festgestellt, dass auf den Märkten für den Verkauf von Neufahrzeugen starker Wettbewerb herrscht. Die Margen der Kfz-Hersteller und Kfz-Händler sind gering, und mehrere Jahre lang haben Produktionsüberkapazitäten und technologische Neuerungen zum Nutzen der Verbraucher zur Senkung der Kfz-Preise und zur Verbesserung des Angebots beigetragen. Die Finanzkrise hat den Preisdruck sogar noch verschärft.
Unter diesen Umständen haben sich die bisherigen Regeln als zu kompliziert und restriktiv erwiesen und indirekt die Vertriebskosten in die Höhe getrieben, auf die durchschnittlich 30 % des Preises eines Neufahrzeugs entfallen.
Daher werden die entsprechenden Regeln gemäß dem Vorschlag der Kommission vereinfacht, und der Markt für den Kfz-Vertrieb wird künftig genauso behandelt wie alle anderen Märkte. Das derzeitige Vertriebssystem wird in den meisten Fällen weiterhin unter die Gruppenfreistellung fallen, doch werden bestimmte sektorspezifische Klauseln entfallen, die sich als unwirksam oder kontraproduktiv erwiesen haben. Der neue Rechtsrahmen ermöglicht den Kfz-Herstellern eine flexiblere Organisation diverser Netze, in denen Händler, die mehrere Marken führen, und Händler, die ausschließlich die Fahrzeuge eines Herstellers vertreiben, nebeneinander existieren.