Verkürzung der Kündigungsfrist - Judikatur bestätigt

Freitag, 30. Oktober 2008

Der Oberste Gerichtshof (1 Ob 10/08i, 20.06.2008) bestätigte seine Vorjudikatur, wonach anhand der im konkreten Fall erforderlichen Veränderungen des Vertriebssystems zu beurteilen ist, ob das Inkrafttreten der Kfz-GVO 2002 eine Reorganisation (Umstrukturierung) des Vertriebsnetzes mit dem Ende der Übergangsfrist (30. 9. 2003) objektiv erforderlich machte. Im vorliegenden Fall wurde die Verkürzung der Kündigungsfrist als zulässig angesehen.

Der Kläger hatte mit dem beklagten Kraftfahrzeugimporteur einen Händler- und Werkstättenvertrag abgeschlossen, welchen dieser unter Einhaltung einer 12-monatigen Kündigungsfrist zum 30. 9. 2003 aufkündigte.

Das Erstgericht wies die vom Kläger wegen unberechtigter Vertragskündigung durch die Beklagte eingebrachte Schadenersatzklage - bereits dem Grunde nach - ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Die nur von einem nicht allein zeichnungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnete Vertragskündigung sei aufgrund der internen Zustimmung der Beklagten rechtswirksam. Überdies liege ein urkundlicher Nachweis für die Bevollmächtigung vor. Die Kündigung sei wegen der - aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gebotenen - Notwendigkeit zur Umstrukturierung berechtigt gewesen. Das Risiko für die Beklagte habe darin bestanden, dass durch das Inkrafttreten der Kfz-GVO 2002 wesentliche Teile des mit dem Kläger abgeschlossenen Vertriebsvertrags wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot des Art 81 Abs 1 EG nichtig geworden wären, zumal die Kombination aus Exklusiv- und Selektivvertrieb, die Unterbindung des Mehrmarkenvertriebs und die Verpflichtung, neben dem Vertrieb auch eine Werkstätte zu betreiben, jedenfalls nicht mehr den Freistellungen der neuen Kfz-GVO entsprochen hätten. Eine Anpassung der bestehenden Verträge wäre schon deshalb nicht möglich gewesen, weil nach den alten Verträgen eine Kombination von exklusivem und selektivem Vertrieb bestanden habe und ein solches Vertriebssystem nach der neuen Kfz-GVO nicht mehr zulässig sei. Angesichts der konkreten Ausgestaltung des Vertriebssystems der Beklagten sei die Notwendigkeit gegeben gewesen, die Händler- und Werkstättenverträge aufzukündigen.
Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig.

  1. Ein Gesamtgeschäftsführer einer GmbH kann vorher oder nachträglich, ausdrücklich oder auch bloß konkludent durch den oder die übrigen Geschäftsführer ermächtigt werden, die Erklärung mit Wirkung für alle abzugeben, womit dem Handelnden organschaftliche Einzelvertretungsmacht eingeräumt wird (RIS-Justiz RS0059910). Im vorliegenden Fall war der die Kündigung unterzeichnende Gesamtgeschäftsführer der Beklagten laut deren „Entscheidungsmatrix" zur Vornahme derartiger Rechtshandlungen bevollmächtigt. Von einer ungültigen Willenserklärung kann daher nicht die Rede sein. Der hier gegebene Sachverhalt ist auch nicht mit dem der Entscheidung 8 ObA 209/02x zugrundeliegenden vergleichbar, wo der andere Geschäftsführer des Dienstgebers dem gekündigten Dienstnehmer gegenüber seine Überraschung über die Kündigung zum Ausdruck brachte und der Dienstgeber auf den Vorhalt des Dienstnehmers, dass die Kündigung rechtsunwirksam erfolgt sei, erneut eine Kündigung zum „nächstmöglichen" Kündigungstermin aussprach.

    Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass das Kündigungsschreiben nicht eingeschrieben aufgegeben worden sei, entfernt er sich von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen.
  2. Insofern der Kläger bekämpft, dass seinen Beweisanträgen durch das Erstgericht nicht entsprochen wurde, wiederholt er bloß die Behauptung von Verfahrensmängeln, deren Vorliegen bereits das Berufungsgericht verneinte. Solche angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz können jedoch im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (siehe 1 Ob 410/97v mwN).
  3. Ob das Inkrafttreten der Kfz-GVO 2002 eine Reorganisation (Umstrukturierung) des Vertriebsnetzes des Herstellers (Lieferanten) mit dem Ende der Übergangsfrist (30. 9. 2003) objektiv erforderlich machte, ist anhand der im konkreten Fall erforderlichen Veränderungen des Vertriebssystems zu beurteilen. Dabei sind vor allem jene Änderungen zu berücksichtigen, die erforderlich wurden, um auch weiterhin den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung nach Art 81 Abs 1 EG in Anspruch nehmen zu können (RIS-Justiz RS0120083). Der Europäische Gerichtshof führte in der Entscheidung C-273/06 unter Berufung auf seine Vorjudikatur aus, dass sich eine Umstrukturierung vor allem dann als notwendig im Sinn von Art 5 Abs 3 Unterabs 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1400/2002 erweisen könne, wenn sich ein Lieferant, der vor Inkrafttreten dieser Verordnung Alleinvertrieb und selektiven Vertrieb kombinierte, dafür entschieden habe, sein Vertriebsnetz ausschließlich als selektives Vertriebssystem zu organisieren, um weiterhin in den Genuss der Gruppenfreistellung zu kommen.

Im gegenständlichen Fall haben die Vorinstanzen die für die Beklagte bestandene Notwendigkeit der Vertragskündigung ausführlich begründet. Insbesondere wurde nachvollziehbar dargelegt, dass zwecks Gewährleistung eines einheitlichen Vertriebssystems eine Anpassung der bestehenden Verträge nicht möglich gewesen sei (vgl 4 Ob 143/07v). Dem Kläger ist es dem gegenüber nicht gelungen, überzeugende Argumente darzulegen, warum diese Beurteilung unzutreffend sein sollte.

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, wonach das Inkrafttreten der Kfz-GVO 2002 im konkreten Fall die Umstrukturierung des Vertriebsnetzes der Beklagten erforderlich machte, ist jedenfalls vertretbar und stellt keine grobe Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist folglich aus Mangel an erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).