Verkürzung der Kündigungsfrist bei Citroen zulässig

Mittwoch, 25. März 2008

In einer das Vertriebssystem von Citroen in Österreich betreffenden Entscheidung vom 22.01.2008 (4 Ob 143/07v)hat sich der Oberste Gerichtshof erneut mit der Frage der Zulässigkeit der Verkürzung der Kündigungsfrist im KFZ-Vertrieb auf ein Jahr auseinandergesetzt. Fazit: Im Fall von Citroen war die Verkürzung der Kündigungsfrist zulässig.

Die Beklagte ist Generalimporteurin für Neufahrzeuge der Marke Citroen. Sie schloss mit der Klägerin im Jahr 2001 einen Direkthändlervertrag, der dieser ein exklusives Vertragsgebiet für den Vertrieb von Neuwagen zuwies. Die ordentliche Kündigung war mit einer Frist von zwei Jahren möglich. Aus Anlass des Inkrafttretens der neuen Kfz-GVO 2002 stellte die Beklagte ihren Vertrieb von einem kombiniert selektiv-exklusiven System auf ein rein selektives System um. Zu diesem Zweck kündigte sie am 23. September 2002 die Verträge mit allen österreichischen Vertragshändlern zum 30. September 2003.

Im alten Vertriebssystem hatte die Beklagte Verträge mit etwa 55 Händlern. Diesen war ein „ausschließliches Marktverantwortungsgebiet" zugewiesen, außerhalb dessen sie nicht aktiv tätig werden durften (Exklusivität). Weiters durften sie Neufahrzeuge nur an solche Wiederverkäufer veräußern, die selbst dem Vertriebssystem angehörten (Selektivität). Mehrmarkenvertrieb war nur eingeschränkt zulässig. Die Händler schlossen ihrerseits - jeweils mit Zustimmung der Beklagten - Verträge mit „Vertragswerkstätten" als „Subhändlern". Diese etwa 40 „Subhändler" waren in erster Linie im Werkstätten- und Ersatzteilbereich tätig; sie konnten aber auch selbst - offenbar von ihrem Vertragspartner (Händler) erworbene - Fahrzeuge verkaufen („fakturieren"). Wenn der Händler mit dem Subhändler eine „Direktbetreuung" durch die Beklagte vereinbart hatte, gab es im Werkstätten- und Ersatzteilbereich unmittelbare Beziehungen zwischen den Subhändlern und der Beklagten, so beim Bezug von Ersatzteilen und bei der Abrechnung von Kundendienstleistungen. Das war bei etwa 20 Subhändlern der Fall.

Das neue System entspricht dem selektiven Vertrieb iSd Kfz-GVO 2002. Die Beklagte schloss getrennte Verträge mit Händlern, Werkstätten und „Ersatzteilpartnern". Sie hat nun insgesamt etwa 116 Vertragspartner.

Die für die Händler früher zwingende Verbindung zwischen Verkauf und Kundendienst ist gelöst; insofern bestehen nun getrennte Verträge. Ein ausschließliches Marktverantwortungsgebiet gibt es nicht mehr, jeder Händler kann nach Belieben Zweigniederlassungen gründen (keine Exklusivität). Von den seinerzeit 55 Händlern sind fünf ausgeschieden. Reine Werkstätten können beim Verkauf - anders als früher die „Subhändler" - nur mehr als Vermittler tätig werden. Der Vertrieb von Konkurrenzmarken ist erlaubt. Die neue Vertragsgestaltung mit der deutlich höheren Zahl von (unmittelbaren) Vertragspartnern führte bei der Beklagten zu einer Änderung der betrieblichen Organisation. Das Bestellwesen selbst blieb aber im Wesentlichen gleich.

Die Beklagte zog nicht in Erwägung, statt der Umstellung vom selektiv-exklusiven auf ein selektives Vertriebssystem nur die bestehenden Verträge an die neue Kfz-GVO anzupassen.

Die Klägerin begehrt (zuletzt) Schadenersatz von 126.000 EUR sA wegen Nichtbelieferung durch die Beklagte vom 15. Oktober 2003 bis zum 31. August 2004 sowie die Feststellung der Haftung wegen Nichtbelieferung im September 2004.

Rechtlich folgerte der Oberste Gerichtshof daraus folgendes (gekürzt):

Das Inkrafttreten der Kfz-GVO 2002 macht als solches keine Umstrukturierung des Vertriebssystems iSd Art 5 Abs 3 Kfz-GVO 1995 erforderlich. Änderungen in den Vertriebsvereinbarungen können jedoch dann erforderlich sein, wenn die Vereinbarungen nach der Kfz -GVO 1995 geschlossen worden waren und in Übereinstimmung mit dieser Verordnung Kernbeschränkungen iSd Art4 Abs1 Kfz -GVO2002 enthielten.

Eine Umstrukturierung iSd Art 5 Abs 3 Kfz-GVO 1995, die eine Strukturkündigung erlaubt, enthält nach Auffassung des EuGH "notwendigerweise eine Änderung der Organisation der Vertriebsstruktur dieses Lieferanten, die insbesondere die Art oder die Gestalt dieser Strukturen, ihren Zweck, die Aufteilung der internen Aufgaben innerhalb dieser Strukturen, die Modalitäten der Versorgung mit den betroffenen Waren und Dienstleistungen, die Anzahl oder Stellung der Beteiligten an diesen Strukturen und ihre räumliche Reichweite betreffen kann". Weiters muss sie "sowohl in finanzieller als auch in räumlicher Hinsicht bedeutsam sein".

Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer Umstrukturierung als Voraussetzung für eine Strukturkündigung nach Art 5 Abs 3 Kfz-GVO 1995 dürfen zwar die wirtschaftlichen Erwägungen des Lieferanten nicht in Frage gestellt werden; gleichwohl muss aber die Notwendigkeit einer Umstrukturierung für die Ausübung des Kündigungsrechts auf plausible Weise mit Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden können, die sich auf interne oder externe objektive Umstände des Unternehmens des Lieferanten stützen, welche ohne eine schnelle Umstrukturierung des Vertriebsnetzes in Anbetracht des Wettbewerbsumfelds, in dem der Lieferant agiert, die Effizienz der bestehenden Strukturen des Vertriebsnetzes beeinträchtigen könnten. Die subjektive Einschätzung der Notwendigkeit durch den Lieferanten ist irrelevant, erheblich sind aber wirtschaftlich nachteilige Folgen, die der Lieferant im Fall einer Kündigung der Vertriebsvereinbarung mit einer Frist von zwei Jahren erleiden könnte.